Iran – Russland – Ukraine: Der Feind meines Feindes ist mein Freud

Russische Armee greift Kiewer Fernsehturm an(01.03.2022)

Die Eröffnung eines Kriegs durch Putin in der Ukraine stößt bei den iranischen Machthabern in mehrfacher Hinsicht auf Sympathie.

Anfänglich bezeichnete Sa’id Khatibzade, der Sprecher des iranischen Außenministeriums, den russischen Angriff auf die Ukraine als „militärische Maßnahme“. Der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahiyan schrieb in einem Tweet: „Die Ukraine-Krise hat ihre Wurzeln in den provokanten Maßnahmen der NATO.“

Die iranischen Regierungsmedien positionieren sich so:

Die Teheraner Ausgabe von Keyhan (Die Welt), die dem religiösen Führer Ajatollah Chamene’i nahesteht, schreibt am Sonntag (27.2.2022), dass die Ukraine und Afghanistan „trotz der Nähe und hundertprozentigen Abhängigkeit ihrer Regierungen von Amerika, unversehens aufgegeben und in der Krise allein gelassen wurden.“ Von Embargos und Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine ist da nicht die Rede. Schon am Samstag (26.2.2022) hatte die Teheraner Keyhan getitelt: „Die Ukraine wird nicht einmal mehr 48 Stunden bestehen.“ Die Zeitung betonte: „Wieder einmal hat Amerika einen Verbündeten im Regen stehen lassen. Alle Anhänger des Westens (im Iran) mögen daraus eine Lehre ziehen.“ Hossein Shari’atmadari, der Vertreter des Religiösen Führers in der Keyhan nutzte die Gelegenheit zu einem bissigen Seitenhieb auf die iranischen Reformisten: „Kann man in diesem Spektrum von Anhängern des Westens (nicht bei allen) noch welche finden, die noch nicht erkannt haben, was für katastrophale Auswirkungen der Vorschlag hat, Amerika zu vertrauen? Wenn es solche gibt und sie nicht völlig schlaftrunken sind, dann sollte man sie zu den Reihen des Feindes addieren, die sowohl einen iranischen wie einen amerikanischen Ausweis besitzen.“

In einem anderen Artikel pries Keyhan den russischen Staatsführer Putin: „Durch die Schaffung von Stabilität in der Innenpolitik hat Russland in der Außenpolitik sich vor allem zum Ziel gesetzt, die Wirtschaft, die Energiequellen und die Außenpolitik selbst dazu zu nutzen, ihre Macht und ihren Reichtum zu mehren.“

Die Tageszeitung Watan (Vaterland) hat am 27.2. ein Foto des verstorbenen (ermordeten) Ajatollahs Ali Akbar Haschemi Rafsandschani veröffentlicht, mit der Unterschrift: „Kâsh budi wa mididi.“ (Wenn du doch da wärst und das noch gesehen hättest.) Sie spielt damit auf diese Äußerung von Rafsandschani an: „Die Welt von morgen ist eine Welt des Dialogs, nicht der Raketen.“ Watan schreibt weiter: „Selbst wenn die Operation zur Unterwerfung der Ukraine nicht zur Besetzung und Annexion dieses Landes an die Russische Föderation führt und Moskau sich nur damit begnügt, das politische System zu ändern, und ihre Truppen wieder abzieht, hat sie doch unabwendbare Folgen.

Es gibt auch Stimmen, die direkt den ukrainischen Präsidenten angreifen. Kiyanush Jahanpur, der ehemalige Generaldirektor für Public Relations des iranischen Gesundheitsministeriums, bezeichnete Wolodymyr Selenskyj als einen wenig religiösen (kam-din) Menschen und als einen Clown Israels. „Wenig religiös“ ist im Iran der Ajatollahs ein Vorwurf!

Abdollah Ganji, ehemaliger Chefredakteur der Zeitung Jawan, die den Revolutionswächtern (Pasdaran) nahesteht, schreibt: „Wenn der wenig religiöse ukrainische Staatspräsident das politische Alphabet beherrschen würde, hätte er gemerkt, dass er, als er vergangenes Jahr am Sitz der NATO war und Putin dazu aufforderte, dazu zu kommen, den Krieg gegen Russland eröffnet hat, nur dass seine Schüsse mit Schalldämpfern erfolgten.“

In Bezug auf die Ukraine gibt es ja noch eine offene Rechnung. Denn die iranischen Pasdaran hatten im Januar 2020 ein ukrainisches Zivilflugzeug über Teheran abgeschossen, was erst geleugnet und dann als „menschliches Versagen“ tituliert wurde. So schreibt Mostafa Wothuqkiya, der Kulturdirektor der iranischen Nachrichtenagentur Mehr: „An wen sind jetzt die Entschädigungen für das ukrainische Flugzeug zu zahlen?“

Während die Machthaber sich also in der Ukraine-Frage auf die Seite Putins schlagen, sieht es bei den Reformisten etwas anders aus.

So befasst sich die Zeitung „E’temad“, die der Bewegung der Reformisten nahesteht, mit dem Widerstand in Kiew und vergleicht ihn mit dem Widerstand gegen die Nazis in Stalingrad.

Was die Opposition im Iran angeht, haben die iranischen Machthaber vorgesorgt und vor der russischen Botschaft in Teheran Sicherheitskräfte stationiert, um Demonstrationen zu unterbinden. Das führte dazu, dass sich die Gegner des russischen Angriffs vor der ukrainischen Botschaft in Teheran versammelten und Parolen der Art riefen: „Sefarate rusiye, laneye jasusiye“ (die russische Botschaft ist ein Spionagenetz).

https://news.gooya.com/2022/02/post-61838.php