Wie glauben Sie wird sich die Stellung der Frau im Iran verändern?

Sie hat sich schon verändert. Die Mollas haben zwar die gleiche Ideologie wie viele konservative Christen – nämlich Frau an den Herd, oder Kirche-Küche-Kinder – aber sie haben die Wirtschaft so ruiniert, dass die Frauen gezwungen sind, für Geld außer Hauses zu arbeiten. Dadurch werden sie selbstbewußter, weil sie so den Haushalt nicht nur durch ihre tägliche Arbeit, sondern auch durch ihr Einkommen mitfinanzieren. In der Studentenbewegung sind viele Frauen, weil für alle, die im Iran vorankommen wollen, das Studium die einzige Hoffnung auf eine bessere Zukunft ist. Deshalb gibt es viele Studentinnen, die die Apartheid an der Uni Tag für Tag erleben und die Nase voll haben davon.

Damit sich die Stellung bessert, muss sich natürlich auch die Sichtweise der Männer ändern, und das wird wohl langsamer gehen als bei den Frauen.
Aber das wichtigste sind die Veränderungen im Kopf, und die sind schon längst geschehen. Die Frauenbewegung im Iran hat immerhin in so einer Diktatur über eine Million Stimmen für Gleichberechtigung der Geschlechter gesammelt, und das in einem Staat, der die Scharia als Rechtsform anerkennt, also schon deshalb die Rechte der Frau in vielen Dingen (Erbschaft, Reisefreiheit, Wert einer Zeugenaussage etc.) als geringer ansetzt ald die der Männer.

Wie können internationale Akteure und Regierungen die Grüne Bewegung unterstützen?

Internationale Akteure in dem Sinn gibt es wenig. Die UNO ist ohne die Veto-Mächte handlungsunfähig, und die Europäer schielen nur auf iranisches Erdöl, Erdgas und den Absatzmarkt. Insofern sind Boykotte nicht sehr wirksam, zumal das US-Embargo schon Jahrzehnte existiert. Die Regierung ist trotzdem nicht gestürzt. Viel wichtiger aber ist die Forderung an die Regierungen im Westen, das Regime nicht zu unterstützen, mit sogenannten Dialogen, mit Waffenlieferungen, mit der Lieferung von Zensurtechnik (Siemens, Nokia), mit Besuchen und Kontakten zu Schwerverbrechern wie Ahmadineschad, Chamenei und anderen. Die westliche Politik redet gern von Menschenrechten, aber nur hier zu Hause, wenn die Aufträge und Bestellungen für ihre Industrie wittern, halten sie den Mund. Das ist der Punkt. Wir müssen mehr Ehrlichkeit und Transparenz in den Beziehungen zum Iran fordern, und wir müssen schauen, dass wir uns nicht nur aus staatlich gesteuerten Medien informieren, die im Iran nach jedem Regierungswechsel einen neuen „Reformer“ oder „Pragmatiker“ entdeckt.

In manchen Medien spricht man von einer gescheiterten Grünen Bewegung, wie stehen Sie dazu?

Wie kann man von Scheitern sprechen, wenn Millionen von Menschen auf die Straße gegangen sind? Solidarnosc in Polen wurde 1981 auch verboten, aber es war die erste unabhängige Gewerkschaft im Ostblock, mit 9,5 Millionen Mitgliedern, der DGB in Deutschland hatte damals gerade 10 Millionen! Das Regime hat verloren, keiner glaubt mehr den Lügen, es ist wie zur Endzeit der Sowjetunion. Die Frage ist nicht, ob das Regime überlebt, sondern bis wann.

Viele Iraner fordern die Trennung von Staat und Religion. Glauben sie das es desbezüglich nach den Protesten Reformen geben wird?
Die Reformen kommen nicht von diesem Staat. Die Reform hat im Kopf stattgefunden. Das lässt sich nicht mehr ändern. Das ist so wie in Europa. Nach der Kritik an der katholischen Kirche sind andere Glaubensrichtungen entstanden, es gibt kein Zurück mehr zur Zeit vor der Reformation. Die Emotionen mögen abkühlen, aber die Erinnerung an die Verbrechen der Machthaber bleiben. Die Trennung im Iran verläuft derzeit nicht zwischen Staat und Religion, sondern zwischen Staat und Volk.

Glauben Sie, dass es durch die große Unzufriedenheit im iranischen Volk zu einem politischen Umsturz kommen wird?

Wie sich das politische System ändern wird, weiß keiner. Klar ist, dass von 70 Millionen Iranern über die Hälfte unter 35 sind und viele von ihnen keine Arbeit haben. So ein System ist nicht stabil, zumal in einem Land, in dem viele Menschen nicht nur lesen und schreiben können, sondern studiert haben. 15.000 Ärzte sind im Iran arbeitslos, rund 6 Millionen Akademiker sind arbeitslos oder haben nur eine Teilzeitarbeit.

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Viel Erfolg und herzliche Grüße aus Konstanz
Ali Schirasi

Das Interview wurde durchgeführt von Charlotte Hinze im Dezember 2010

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