Iran: Landesweiter Streik – ein Traum?

Bild: radiofarda.com

Vor sieben Tagen, am 22.6.2021, eröffneten Leih- und Projekt-Arbeiter der Gas- und Erdölindustrie, der Raffinerien, der Petrochemie und der Stromkraftwerke landesweit einen Streik.

Ihre Forderungen:

  • Erhöhung des Monatslohns auf 12 Millionen Tuman
  • Änderung des Arbeitsrhythmus auf 20 Tage Arbeit und 10 Tage Freizeit. Derzeit liegt das Verhältnis bei 24 Tagen Arbeit zu 6 Tagen Freizeit. (AdÜ: Hier wird das Wort moraxassi – Urlaub verwendet, aber es scheint eher das gemeint zu sein, was in Deutschland das freie Wochenende wäre.)
  • Pünktliche Auszahlung des Lohns
  • Einschränkung der Leiharbeit in der Erdölindustrie
  • Abschaffung der ausbeuterischen Gesetzgebung für die Freien Wirtschaftszonen
  • Einhaltung der Gesundheits- und Hygienestandards
  • Verbesserung der Arbeitssicherheit
  • bessere Hygienestandards bei der Unterbringung der Arbeiter
  • bessere medizinische Versorgung der Arbeiter
  • Schluss mit der Überwachungsatmosphäre am Arbeitsplatz
  • Anerkennung des Rechts, sich gewerkschaftlich zu organisieren und Protestkundgebungen der Arbeiter abzuhalten.
  • Wiedereinstellung der Arbeiter, die wegen Teilnahme an diesem Streik entlassen wurden.

In den vergangenen fünf Jahren haben die Leiharbeiter und Tagelöhner der Erdöl- und Gas-Industrie sowie der Petrochemie schon mehrmals für ihre Rechte gestreikt. Der jetzige Streik ist der zweite landesweite Streik dieses Sektors innerhalb von weniger als einem Jahr.

In der iranischen Erdölindustrie sind etwa 120.000 Arbeiter als Leiharbeiter beschäftigt, 34.000 weitere Arbeiter haben nur einen befristeten Arbeitsvertrag. Bis jetzt sollen sich mehrere Zehntausend Arbeiter von ihnen den Forderungen der Streikenden angeschlossen haben.

Die Streiks sind vor dem Hintergrund einer rasant gestiegenen offiziellen Inflationsrate von derzeit 43% im Jahr zu sehen, wobei die staatlichen Zahlen nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen müssen.

Der Ablauf des Streikgeschehens

Am Dienstag, den 22. Juni, eröffneten Leiharbeiter des Kraftwerks von Bidkhun den Streik, dem sich die Arbeiter der Erdöl- und Stromindustrie von Buschehr, von Kangan, von Kharag (Charag), von Teheran, Mahschahr, Arak, Qashm, Gajsaran, Abadan, Ahwaz und Esfahan anschlossen.

Am Dienstag, den 22. Juni, wurden 700 streikende Arbeiter der Erdölraffinerie von Teheran entlassen.

Am Mittwoch, den 23. Juni, schlossen sich die fest angestellten Arbeiter der Raffinerie von Abadan dem Streik an, ebenso die dauerhaft Beschäftigten der Phase 9 und Phase 11 des South-Pars-Gasprojekts.

Am Freitag, den 25. Juni, schlossen sich folgende Leiharbeiter und Projektarbeiter (die nur für ein bestimmtes Projekt bezahlt werden) dem landesweiten Streik der Erdölarbeiter an: Leiharbeiter der Raffinerie Kangal (Kangan?), Urhal 15 und Urhal 16 im South-Pars-Gasfeld, Leiharbeiter der Röntgen-Werkstoffprüfung des auf Gas-Verbrennung beruhenden Kraftwerks „Centralized South Pars Combined Cycle Power Plant“ in der Provinz Buschehr und des Pumpwerks No. 5 in Bandar Abbas.

Am Sonntag, den 27. Juni, wurde berichtet, dass sich Arbeiter der Firma Gama des Terminals Jask, Arbeiter der Firma Saze-Pad der Petrochemie von Buschehr und Ingenieure der Röntgenwerkstoffprüfung von Oslawiye und Abadan dem Streik angeschlossen haben.

Am Sonntagmorgen waren laut Berichten die Arbeiter von 60 Firmen in acht Provinzen des Irans in den Streik getreten.

Wie aus Arbeiterkreisen berichtet wird, haben einige Personen, die Nachrichten über die Streiks verbreiten, Drohungen der Justiz und der Geheimdienstorgane erhalten.

Am Montag, den 28. Juni, wurde von Streiks aus 61 Firmen berichtet. Hinzugekommen sind die Arbeiter der Firmen „Pishtazane Aria“ und „Pishgamane Fonune Fars“.

Die Gegenseite: Arbeitgeber, Staat und Geistlichkeit (wie zu Zeiten von George Grosz)

Die Koordinatoren der landesweiten Streiks berichten von verschiedenen Druckmethoden der Arbeitgeber und Machthaber. Von der Entlassung 700 Streikender in Teheran haben wir oben geschrieben, ebenso von Drohungen der Justiz und der Geheimdienste. Es gab auch andere Methoden: So versuchen die Arbeitnehmer, während des Streiks die Arbeiterwohnheime nicht zu verlassen, um nicht ausgesperrt zu werden. Als Gegenmaßnahme haben die Arbeitgeber die Wasserzufuhr abgestellt und liefern kein Esen mehr, um die Arbeiter so zu zwingen, in die Stadt zu gehen und die Räume zu verlassen. An manchen Orten haben Behörde und die lokalen Freitagsprediger (die als Vertreter des Religiösen Führers vor Ort fungieren) Versammlungen mit den Arbeitern einberufen und gesagt, ihre Forderungen nach mehr Lohn seien berechtigt, aber der Staat sei nicht schuld, sondern die Betreiber der Leihfirmen. Die bekämen eine Menge Geld und würden es einsacken statt es den Arbeitern zu geben. Die Kunst, das Feuer gegen andere zu schüren, beherrscht auch der Ex-Präsident Ahmadineschad. Er warnte die Machthaber, es könne für sie gefährlich werden, die Forderungen der Streikenden zu ignorieren. Er, der sich seine Wiederwahl zum Präsidenten durch einen gewaltigen Stimmbetrug gesichert hat, und dafür in Kauf nahm, dass Menschen auf den Straßen niedergeknüppelt, ins Gefängnis gesteckt, gefoltert und ermordet wurden, damit ihre Stimme nicht gehört werden konnte.

Quellen:

https://www.radiofarda.com/a/iran-mass-woker-strikes/31326279.html

vom 4. Tir 1400 (25.6.2021)

اعتصابات کارگری در ایران گسترش یافت

https://www.peykeiran.com/Content.aspx?ID=230506

vom 6. Tir 1400 (27.6.2021)

ششمین روز اعتصاب؛ شمار دیگری از کارگران به اعتصاب سراسری کارگران صنعت نفت پیوستند

https://www.peykeiran.com/Content.aspx?ID=230539

vom 7. Tir 1400 (28.6.2021)

پیوستن کارگران ۶۱ شرکت به اعتصاب صنعت نفت، گاز و پتروشیمی: حمایت سندیکای هفت‌تپه و اتوبوسرانی تهران

https://de.wikipedia.org/wiki/South-Pars-Gasfeld

https://de.wikipedia.org/wiki/Durchstrahlungspr%C3%BCfung