Irak: Parteienfinanzierung statt Zollgebühren

Thaier al-Sudani hat für AFP sechs Monate lang die Vorgänge an der irakischen Grenze untersucht. Der Irak hat 40 Millionen Einwohner. 2019 importierte er Waren (ohne Erdöl) im Wert von 21 Milliarden Dollar, vor allem aus dem Iran, der Türkei und VR China. Laut iranischen Angaben wurden im letzten Jahr Waren im Wert von 7,7 Milliarden Dollar (inkl. Erdöl?) aus dem Iran in den Irak exportiert. Entlang der 1600 km langen iranisch-irakischen Grenze gibt es fünf amtliche Grenzübergänge, entlang der 370 km langen Grenze zur Türkei einen. Die größte Zollstation befindet sich im Hafen vom Umm Qasr in der südirakischen Provinz Basra, dem einzigen Hafen des Iraks.

Wie der irakische Finanzminister Ali Allawi gegenüber AFP erklärte, werden an den Grenzen statt der staatlichen Zölle Bestechungsgelder erhoben, die nicht in der Staatskasse landen, sondern bei bewaffneten Gruppen, politischen Parteien und Einzelnen, die sich bereichern. Da die Zolleinnahmen zu den wichtigsten Einnahmen des irakischen Staates gehören, fehlen diese Gelder im Staatshaushalt. Eigentlich sollten die Zolleinnahmen bei 7 Milliarden Dollar liegen, der Staat erhält 10-12% dieses Betrags. Die umständlichen und langwierigen staatlichen Prozeduren für eine korrekte Abwicklung der Importe sind ihrerseits ein Anreiz für die Importeure, sie zu umgehen. So nimmt ein einziger Grenzbeamter am irakisch-iranischen Grenzübergang Mandali täglich bis zu 10.000 Dollar an Bestechungsgeldern ein. Dieser Übergang wird von der Badr-Organisation kontrolliert, eine irakische Bewegung, die im Iran gegründet wurde. Die bestochenen Beamten deklarieren dann entweder eine geringere Menge als tatsächlich importiert, oder eine andere Ware als die importierte, um in eine günstigere Zollklasse zu kommen. Der Service an der Grenze ist umfassend. Man kann einen Warndienst abonnieren, der vor überraschenden Polizeikontrollen warnt, man kann auch dafür bezahlen, dass Waren von Konkurrenten kontrolliert werden, um sich diese so vom Leib zu halten. Versteht sich, dass solche einträglichen Jobs nicht einfach auf dem Arbeitsmarkt besetzt werden, sondern nur gegen entsprechende Zahlungen an die Vorgesetzten erhältlich sind. Beamte, die es mit der Kontrolle zu genau nehmen, erhalten Todesdrohungen von dem Netzwerk an Parteien und paramilitärischen Organisationen, die die Einnahmen am irakischen Staat vorbei unter sich aufteilen.

Dass diese – häufig mit dem iranischen Staat liierten – paramilitärischen Gruppen im Grenzgeschäft so präsent sind, hängt auch mit dem Kampf gegen den „Islamischen Staat“ zusammen, der sich im Nordirak und Syrien ausbreitete. Damals waren die von den iranischen Pasdaran unterstützten und ausgebildeten schiitischen Milizen Verbündete im Kampf gegen den „Islamischen Staat“. Mit der Niederlage des IS 2017 endete auch die Finanzierung der paramilitärischen Gruppen aus dem irakischen Verteidigungshaushalt und die Gruppen mussten sich nach anderen Quellen umschauen. Die haben sie gefunden, wieder zulasten der Staatskasse. Die Aufteilung dieser Einnahmen auch zwischen scheinbar gegnerischen und rivalisierenden Gruppen erfolgt erstaunlich friedlich, wie die Beobachter meinen. Sollte die irakische Regierung versuchen, dieses Kartell aufzubrechen, dürfte sie auf energischen Widerstand stoßen.

Quellen:

https://www.france24.com/en/live-news/20210329-worse-than-a-jungle-the-cartel-controlling-iraqi-borders
Issued on: 29/03/2021 – 04:24
Modified: 29/03/2021 – 04:22

https://www.arte.tv/fr/afp/actualites/pire-quune-jungle-le-cartel-de-la-corruption-aux-frontieres-de-lirak
„Pire qu’une jungle“: le cartel de la corruption aux frontières de l’Irak
29 mars 2021 (inhaltlich gleich zum Artikel von france24)

https://www.radiofarda.com/a/31175193.html
vom 9. Farwardin 1400 (29. März 2021)
«نیروهای وابسته به ایران» در گمرک‌های عراق «میلیاردها دلار» اختلاس می‌کنند
(inhaltlich gekürzte Version des Artikels von france24)