Iran: Vereinte Nationen fordern Rechenschaft für Gefängnismassaker von 1988 und läuten Wende in Jahrzehnte andauernden Kampf ein

Eine Gruppe von UN-Menschenrechtsexperten hat einen Brief an die iranischen Regierung geschrieben mit der Warnung, dass vergangene und anhaltende Verstöße im Zusammenhang mit den Gefängnismassakern des Jahres 1988 die Dimension von Verbrechen gegen die Menschlichkeit haben können und dass sie eine internationale Untersuchung fordern, sollten diese Verstöße fortbestehen. Dieser Vorstoß wurde von Amnesty international am Vorabend des Internationalen Tags der Menschenrechte begrüßt.

„Die Mitteilung der UN-Experten ist ein bedeutender Durchbruch. Sie markiert einen Wendepunkt in den langjährigen Kämpfen der Familien und Überlebenden der Opfer, die von iranischen Menschenrechtsorganisationen und Amnesty International unterstützt werden, um diese Verbrechen zu beenden und Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu erlangen “, sagte Diana Eltahawy, stellvertretende Direktorin von Amnesty International für dem Nahen Osten und Nordafrika.

„Top-UN-Menschenrechtsexperten haben jetzt eine eindeutige und längst überfällige Botschaft gesendet: Die anhaltenden Verbrechen des Massenverschwindens infolge der geheimen außergerichtlichen Hinrichtungen von 1988 können nicht länger unangetastet und ungestraft bleiben“, sagte Diana Eltahawy.

Jahrzehntelange Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Zwischen Ende Juli und Anfang September 1988 waren Tausende inhaftierte politische Dissidenten im ganzen Iran gewaltsam verschwunden und dann im Geheimen außergerichtlich hingerichtet worden.

Seit mehr als 30 Jahren haben die iranischen Behörden die Umstände ihres Todes und den Verbleib ihrer sterblichen Überreste systematisch verschwiegen und damit die Opfer, einschließlich der Getöteten und ihrer überlebenden Familien, dem Verbrechen des Verschwindenlassens ausgesetzt.

In ihrer 18-seitigen Mitteilung, die erstmals am 3. September 2020 privat an die iranische Regierung geschickt wurde, erklären die UN-Experten, dass sie „ernsthaft besorgt sind über die unterstellte fortgesetzte Weigerung, das Schicksal und den Aufenthaltsort dieser Personen offenzulegen“.

„Die Mitteilung der UN-Experten ist ein bedeutender Durchbruch. Sie markiert einen Wendepunkt in den langjährigen Kämpfen der Familien und Überlebenden der Opfer, die von iranischen Menschenrechtsorganisationen und Amnesty International unterstützt werden, um diese Verbrechen zu beenden und Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu erlangen.“

Diana Eltahawy, stellvertretende Direktorin von Amnesty International für dem Nahen Osten und Nordafrika

Sie schreiben, dass sie „weiter alarmiert sind über die Weigerung der Behörden, Familien genaue und vollständige Sterbeurkunden vorzulegen, die Zerstörung von Massengräbern, die anhaltenden Drohungen und Belästigungen der Familien, den Mangel an Ermittlungen und Strafverfolgung für die Morde und die Erklärungen der Regierung, die die Fälle ablehnt oder trivialisiert und die Kritik an den Morden der Unterstützung von Terrorismus gleichsetzt.“

In der Mitteilung wird betont, dass dieses Verschwindenlassen solange wirksam ist, „bis die Schicksale und die Aufenthaltsorte der betroffenen Personen festgestellt sind“.

Rechenschaftspflicht fordern

In Übereinstimmung mit ihren Forderungen nach gründlichen, unparteiischen und unabhängigen Ermittlungen in allen Fällen, der Exhumierung und Rückgabe von Überresten an Familien, der Identifizierung und Verfolgung von Tätern und der Bereitstellung wirksamer Abhilfemaßnahmen für die Opfer haben die UN-Menschenrechtsexperten den Iran darum gebeten, detaillierte Informationen zu liefern, unter anderem über

  • die Frage, ob die Namen der hingerichteten Personen in öffentlichen Bestattungsregistern enthalten waren;
  • Maßnahmen zur Identifizierung, Erkennung, zum Schutz und zum Gedenken an entweihte Massengräber;
  • bekannte Informationen über die Identität der in jeder Grabstätte Bestatteten sowie Daten über nicht identifizierte Personen;
  • alle Bestimmungen, die es Familien ermöglichen, an Grabstätten zu gedenken und ihren Respekt zu erweisen; und
  • gesetzliche Bestimmungen zum Schutz von Familien und Menschenrechtsverteidigern, die Informationen über das Schicksal und den Aufenthaltsort von Opfern von Verschwindenlassen suchen und Gerechtigkeit fordern.

Die UN-Experten erklärten auch, dass die iranische Regierung, wenn sie sich „weiterhin weigert, ihren Verpflichtungen aus dem internationalen Menschenrechtsgesetz nachzukommen“, „die internationale Gemeinschaft auffordern wird, Maßnahmen zur Untersuchung der Fälle zu ergreifen, auch durch die Einleitung einer internationalen Untersuchung“.

Seit der Veröffentlichung des Berichts von Amnesty International aus dem Jahr 2018 Blood-soaked secrets: Why Iran’s 1988 prison massacres are ongoing crimes against humanity (Blutgetränkte Geheimnisse: Warum die Massaker im iranischen Gefängnis von 1988 anhaltende Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind), fordert die Organisation den UN-Menschenrechtsrat auf, einen unabhängigen, unparteiischen und wirksamen internationalen Mechanismus einzurichten, um die Straflosigkeit Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere im Bericht genannte Verbrechen nach internationalem Recht zu bekämpfen.

„Die Breite und Stärke der UN-Expertenanalyse ist ein entscheidender Schritt in unserem anhaltenden Bestreben, dass der UN-Menschenrechtsrat Maßnahmen ergreift, um die Straflosigkeit für diese vergangenen und anhaltenden Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu beenden“, sagte Diana Eltahawy.

Hintergrund

Die UN-Experten, die die Mitteilung vom September 2020 herausgeben, sind Mitglieder der Arbeitsgruppe für Erzwungenes oder Unfreiwilliges Verschwindenlassen; der Sonderberichterstatter für außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen; der Sonderberichterstatter über das Recht auf friedliche Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit; der Sonderberichterstatter zur Lage der Menschenrechte in der Islamischen Republik Iran; der Sonderberichterstatter für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Bekämpfung des Terrorismus; der Sonderberichterstatter für Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung; und der Sonderberichterstatter für die Förderung von Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Garantien der Nichtwiederholung.

Amnesty International hat Beweise für die Beteiligung mehrerer Personen zusammengestellt, die weiterhin hohe Machtpositionen bei Verschwindenlassen und außergerichtlichen Hinrichtungen innehaben, darunter: der derzeitige Leiter der Justiz, Ebrahim Raisi; die derzeitige Justizministerin Alireza Avaei; der ehemalige Justizminister und derzeitige Berater des Justizchefs Mostafa Pour Mohammadi; der Leiter des Obersten Disziplinargerichts für Richter, Hossein Ali Nayyeri; und Mohamamd Hossein Ahmadi, Mitglied der Expertenversammlung, einem Verfassungsorgan, das befugt ist, den Obersten Führer des Iran zu ernennen oder zu entlassen.

Amnesty International, 9. Dezember 2020
https://www.amnesty.org/en/latest/news/2020/12/iran-un-calls-for-accountability-on-1988-prison-massacres-marks-turning-point-in-three-decade-struggle/

هشدار سازمان ملل به مقام‌های ایران در مورد کشتار ۶۷
http://www.iran-emrooz.net/index.php/news1/86863/