Iran: Vom Ende der Islamischen Republik

Die Islamische Republik Iran hat schon einige Protestbewegungen überlebt. So die Bürgerbewegung, die 1997 im Wahlsieg des sogenannten Reformpräsidenten Chatami gipfelte, von dem sich vor allem die Frauen mehr Freiheit erwarteten. Aber Chatami konnte weder die Serienmorde verhindern, noch die reihenweise Zensur und Schließung von Zeitungen noch den mörderischen Überfall auf die Studentenwohnheime. Nach zwei Amtszeiten folgte mit Präsident Ahmadineschad ein Wunschkandidat der Fundamentalisten. Der wurde schon nach der ersten Amtszeit im Juni 2009 abgewählt, aber Ajatollah Chamene’i ließ das Rad zurückdrehen und das Ergebnis nach seinen Wünschen fälschen. Das führte zu Millionenprotesten auf den Straßen. Das Regime brauchte ein ganzes Jahr, um den Protest abzuwürgen. 2013 wurde dank der Uneinigkeit der Fundamentalisten Hassan Rouhani zum Präsidenten gewählt. Seine Wahl weckte in der Bevölkerung die Hoffnung auf eine wirtschaftliche Wende. Er leitete einen Ausgleich mit dem Westen ein und erreichte das Ende der Sanktionen wegen des iranischen Atomprogramms. Er wurde 2017 wiedergewählt, aber die Hoffnungen auf einen wirtschaftlichen Aufschwung sind verflogen. Ein wirtschaftlicher Aufschwung würde Rechtssicherheit und eine Entmachtung der Pasdaran in den wirtschaftlichen Schaltstellen erfordern. Dazu hat er nicht die Macht. Der neue Budgetentwurf, der Kürzungen in den für die Bevölkerung wichtigen Subventionen vorsah, brachte das Fass zum Überlaufen.
Dschamschid Barsgar (Jamshid Barzgar) analysiert für den BBC die Besonderheiten und die zu erwartenden Folgen der jüngsten Proteste zur Jahreswende (nach europäischer Zeitrechnung, im Iran ist bis zum Frühlingsbeginn noch das Jahr 1396).

Das Ausmaß der Proteste
Am 28. Dezember 2017 kam es in Maschhad und einer Reihe weiterer Städte zu Kundgebungen gegen die Inflation, die eine Protestwelle in allen Landesteilen in Gang setzten. Nicht einmal die Massenproteste von 2009 erreichten so viele Regionen, große und kleine Städte, wie diese jüngste Protestwelle.

Systemwechsel statt Reform

Die zweite Besonderheit der Proteste ist ihre Zielrichtung. Es geht nicht mehr darum, das System zu reformieren oder gestohlene Wählerstimmen einzufordern. Die Unzufriedenheit richtet sich gegen die Islamische Republik als politisches System. Die armen Schichten und die Jugend, die keinen Silberstreifen am Horizont sieht, sind diesmal auf die Straßen gegangen. Sie riefen: „Nieder mit der Diktatur“, sie kritisierten den Religiösen Führer und riefen: „Dein Grab ist schon bereit.“ Reform-Versprechen haben die Iranerinnen und Iraner schon genug erlebt, jetzt wollen sie grundlegende Änderungen.

Führerlos und parteilos

Die jüngsten Proteste zeichneten sich auch dadurch aus, dass sie ohne „Führerpersönlichkeiten“ auskamen und keine politischen Parteien oder Bewegungen dahinter standen.

Weder Fundis noch Reformos

Während die Proteste anfänglich noch gegen die Regierung von Hassan Rouhani gerichtet zu sein schienen und die Inflation zum Thema hatten, weiteten sie sich rasch auf die Institution des Religiösen Führers und das politische System aus. Für die Unzufriedenen waren weder die Fundamentalisten noch die „Reformisten“ eine politische Alternative. Bezeichnend ist denn auch, dass der Ex-Präsident Mohammad Chatami die Ereignisse verurteilte und dass die Fundamentalisten für die Regierung Rouhani und gegen die Proteste eintraten. Wenn es um die Machterhaltung im Rahmen eines Islamischen Staates geht, ist die Spaltung zwischen Fundamentalisten und Reformisten aufgehoben. Die neue Trennlinie verläuft jetzt zwischen Anhängern des alten Systems, der Islamischen Republik, und ihren Gegnern.

Dürftiger Erfolg der Unterdrückung

Man kann dem Regime vieles vorwerfen, eines gewiss nicht: Dass es sich auf Proteste nicht vorbereitet hätte. Von der Internetpolizei bis zu Spezialeinheiten zur Aufstandsbekämpfung, von der Beschneidung des Internets bis zum Totschweigen des Protests und gelenkter Berichterstattung in Medien, von Schlägerbanden „in Zivil“ bis zu willfährigen Folterern und Richtern, alles steht bereit. In den Provinzen Kermanschah, in Chusestan und in Hamedan wurden sogar Einheiten der Revolutionswächter gegen die Demonstranten eingesetzt. 21 Menschen wurden umgebracht. Und trotzdem konnte dies nicht verhindern, dass die Menschen im ganzen Land über eine Woche lang auf die Straße gingen.

Auswirkungen auf das Budget

Man darf davon ausgehen, dass der Budgetentwurf, der derzeit im iranischen Parlament beraten wird, so nicht durchgehen wird. Die Streichung des Yarane (Freundschaftsgeld), eine Art von Subvention oder Sozialhilfe, die von Ahmadineschad eingeführt wurde, und auch die Erhöhung des Benzinpreises wird vermutlich zurückgenommen. Die Folge könnte allerdings ein Anstieg der Inflation sein.

Zunehmende außenpolitische Isolierung

Während Russland und die Türkei die iranische Regierung unterstützten, nahm die US-Regierung die Gegenposition ein und unterstützte die Proteste verbal, gefolgt von einigen europäischen Regierungen. Zunehmende Repressalien gegen die Demonstranten könnten dazu führen, dass die Investitionen aus Europa ausbleiben und der Iran weiter wirtschaftlich isoliert bleibt.

Haltung der Türkei

Dass die türkische Regierung die iranische Regierung unterstützt, versteht sich. Ein Syrien vor der Haustür genügt. Hinzu kommt, dass Türkei und Iran nach dem Unabhängigkeitsreferendum in der Kurdischen Autonomie im Nordirak gemeinsam wirtschaftlich und militärisch gegen die Autonomie vorgegangen sind und in der Unterdrückung der Kurden gemeinsame Interessen verfolgen. So verfolgt der Iran die Pezhak, einen Ableger der PKK im Iran, und es ist anzunehmen, dass eine Demokratisierung im Iran auch zu einer Stärkung der kurdischen Rechte im Iran führen wird. Das ist für Erdogan und die türkischen Nationalisten nicht akzeptabel. Deshalb ist es nicht überraschend, dass die türkischen Machthaber eine Veränderung im Iran ablehnen.

Quelle:
http://news.gooya.com/2018/01/post-10823.php
vom 5. Januar 2018
natayej va peyamadhaye ehtemaliye e°terazate axir chist?