Iran: Klima und Politik – die reinste Katastrophe

Iran: Klima und Politik – die reinste Katastrophe

Demonstration in Ahvaz am 19.07.2021

Seit Donnerstag, den 15. Juli 2021, kommt es in zahlreichen Städten der iranischen Provinz Chusestan zu massiven Protesten gegen die staatliche Politik. In den Ortschaften Ahvaz (1,3 Mio. Einwohner), Schusch (54.000 Einwohner), Hoveize (14.000 Einwohner), Susangerd (44.000 Einwohner), Mahschahr (163.000 Einwohner), Schadegan (49.000 Einwohner), Abdol-Khan (2.600 Einwohner), Chorramschahr (171.000 Einwohner), Kut Abdollah (56.000 Einwohner), Abu Homeyze (5.500 Einwohner) und anderen, nicht genannten Orten, gingen Menschen in größeren Zahlen auf die Straßen, um gegen die Wasserknappheit zu protestieren. Insgesamt leiden rund 900 Ortschaften der Region Chusestan am Wassermangel. Viele von ihnen sind nicht einmal an ein Leitungsnetz angeschlossen, sondern erhalten das Trinkwasser durch Zisternenwägen.

Die Temperatur steigt, die Niederschläge machen sich rar. (Bild: researchgate.net)

Staudämme – ein Geldsegen für die Pasdaran
Die Wasserknappheit ist hier nicht nur eine Folge der Klimaveränderung – von 1988 bis 2018 ist die mittlere Lufttemperatur im Iran im Sommer um jährlich 0,03°C gewachsen, während die Niederschläge in den regenreichen Wintermonaten im gleichen Zeitraum um jährlich 0,5 mm weniger geworden sind (von über 40 mm Niederschlag pro Monat auf unter 30 mm Niederschlag). Die Wasserknappheit ist vor allem eine Folge der staatlichen Politik. So schreibt die Neue Zürcher Zeitung, dass der Zayenderud, der Fluss, der früher durch die Großstadt Isfahan floss, jetzt die meiste Zeit des Jahres trocken liegt, weil sein Wasser gestaut wird und zum Teil nach Yazd umgeleitet wird, der Heimatregion des früheren Präsidenten Ahmadineschad. Außerdem wurden Zuflüsse des Karun-Flusses durch Tunnel angezapft, um Bewässerungsprojekte im Oberlauf des Zayanderud-Flusses zu ermöglichen. Dieses Wasser fehlt jetzt am Unterlauf, in Chusestan, wo mehrheitlich arabischsprachige Volksgruppen leben. Die Bewässerung der Felder im Iran ist häufig sehr ineffizient und vergeudet deutlich mehr Wasser als nötig wäre. Hinzu kommt, dass das Wasser in zahlreichen Flüssen durch Staudämme zurückgehalten wird (und stärker verdunstet). Dieser Staudammbau sorgt nicht für eine bessere Wasserversorgung, dafür aber für einen Geldsegen in der Kasse der Khatam-al-Anbiya. Das ist eine Einheit der Revolutionswächter (Pasdaran), die diese Bauaufträge meist zugesprochen bekommt. Es geht also nicht ums Wasser, sondern um Einnahmen für eine der wichtigsten bewaffneten Institutionen des Landes.

Demonstration in Ahvaz-Qutabdullah am 18.07.2021

Kein Wasser, keine Ernte, kein Vieh, keine Fische
Vor diesem Hintergrund sind die Proteste in Chusestan zu sehen. Die Einheimischen hängen stark von Landwirtschaft und Viehzucht ab. Das ausbleibende Flusswasser, ebenso das Austrocknen der Sümpfe, sorgt für einen drastischen Rückgang der Wasserreserven, so dass das Vieh nicht mehr ernährt werden kann und stirbt, und Landwirtschaft ohne Wasser bedeutet, dass die Produkte vertrocknen. Damit wird den Menschen direkt die Lebensgrundlage entzogen. Es geht um ihr Überleben.

Gebt uns Wasser, dann bekommt ihr das Öl
Das erklärt die Heftigkeit der Proteste, die so weit gehen, dass jetzt sogar ein Erdölförderbrunnen besetzt wurde. Die Besetzer sagen: Gebt uns Wasser, dann bekommt ihr das Öl. Das Erdöl ist im Iran im wesentlichen in der Hand der Revolutionswächter, die nicht zimperlich sind, ihre Interessen mit Gewalt zu verteidigen.
Auch die Verbindungsstraße von Ahvaz nach Andimeschk wurde zeitweilig besetzt.
Die Regierenden im Land machen sich Sorgen. Nicht, wie sie die Forderungen der protestierenden Bevölkerung erfüllen können, sondern wie sie die Proteste kleinkriegen, damit sie sich nicht noch mehr ausweiten. Bis jetzt hat diese Denkweise vier Protestierenden das Leben gekostet.

https://www.researchgate.net/publication/331456789_An_overview_of_climate_change_in_Iran_facts_and_statistics
March 2019
DOI:10.1186/s40068-019-0135-3
von Mohammad Reza Mansouri Daneshvar
Shakhes Pajouh Research Institute
Majid Ebrahimi
Hakim Sabzevari University und
Hamid Nejadsoleymani

https://www.bpb.de/internationales/asien/iran/316161/interview-irans-wasserkrise
vom 1.10.2020, von Kaveh Madani
Irans Wasserkrise: Missmanagement und anhaltende Konflikte

https://www.nzz.ch/international/wenn-wasser-zur-illusion-wird-ld.1379260
von Christian Weisflog, Isfahan 18.06.2018, 10.00 Uhr
Weil Iran sich unbedingt selbst ernähren will, geht dem Land das Wasser aus

https://www.iran-emrooz.net/index.php/news1/92142/
vom 18.07.2021
گزارش میدانی امتداد از شب‌های ناآرام خوزستان:

مصطفی نعیماوی با اصابت دو گلوله به سینه جان باخت

https://www.akhbar-rooz.com/کشته-شدن-يکی-از-تظاهر-کنندگانِ-معترض-به
vom Sa. 26. Tir 1400 (17. Juli 2021)
کشته شدن یکی از تظاهر کنندگانِ معترض به بی آبی در خوزستان