Iran – Türkei: Diplomat wegen Verdacht auf Beihilfe zum Mord in Haft

نمایی از ورودی کنسولگری ایران در شهر استانبول ترکیه
Eingang des iranischen Konsulats in Istanbul, Türkei

Die in der Türkei erscheinende englischsprachige Tageszeitung Daily Sabah berichtete am 11. Februar 2021, dass zu Beginn vergangener Woche ein Diplomat des iranischen Konsulats in Istanbul unter dem Vorwurf der Beihilfe zum Mord an Masoud Moulavi Vardanjani verhaftet wurde.

Der verhaftete Diplomat namens Mohammad-Reza Naserzade, 43 Jahre alt, hatte in einer Abteilung des iranischen Konsulats gearbeitet, die für standesamtliche Unterlagen zuständig war. Er wird beschuldigt, Ali Esfenjani falsche Identitätspapiere übergeben zu haben, die ihm die Flucht aus der Türkei ermöglichten. Ali Esfenjani soll der Organisator des Mordanschlags auf Masoud Moulavi Vardanjani sein. Mit Hilfe der falschen Papiere konnte Esfenjani unerkannt in den Iran fliehen.

Masoud Moulavi Vardanjani war ein ehemaliger iranischer Geheimdienstmitarbeiter, der im Juni 2018 in die Türkei geflohen war und in Istanbul durch Veröffentlichungen im Internet die korrupten Praktiken der iranischen Behörden und namentlich auch der Pasdar-Auslandseinheit Niruye Qods publik machte. Vardanjani war Administrator des Telegram-Kanals „Ja’beye siyah“ (black box), der auch Dokumente aus dem Amt des Religiösen Führers, der Justiz und der Sicherheitsorgane veröffentlichte und sie beschuldigte, für Mordanschläge verantwortlich zu sein, die an politischen Gegnern und an iranischen Nuklearfachleuten verübt wurden.

Vardanjani hatte in der Türkei schon Todesdrohungen seitens der Islamischen Republik Iran erhalten und wollte deshalb ausreisen. Aber ein Deal mit der US-Botschaft – Informationen gegen Einreise in die USA, blieb erfolglos, eine illegale Ausreise, um in Europa Asyl zu beantragen, scheiterte an der türkischen Polizei.

Masoud Moulavi Vardanjani arbeitete vor seiner Flucht nach eigenen Angaben mit dem iranischen Geheimdienst im Bereich Cyber-Aktivitäten zusammen. Laut Peykeiran, das sich hierbei auf Aussagen von Babak Ebrahimi stützt, des Bruders von Maziyar Ebrahimi, soll Vardanjani aber auch als „Hacker“ Teil des Teams der Beamten gewesen sein, die seinen Bruder verhörten, und persönlich seinen Bruder und dessen Frau verhört haben. Babak Ebrahimi war in Zusammenhang mit dem Mord an iranischen Nuklearwissenschaftlern verhaftet, gefoltert und zum Tode verurteilt worden, wurde später aber freigelassen – ein etwas überraschender Ausgang, wenn man die Gepflogenheiten des iranischen Staates in anderen Fällen sieht.

Esfenjani soll mit Vardanjani Bekanntschaft geschlossen und ihn ausgekundschaftet haben. Die erhaltenen Informationen leitete Esfenjani an einen iranischen Geheimdienst weiter. Esfenjani hatte Vardanjani auch an dem Tag begleitet, als dieser in Istanbul erschossen wurde. Laut Peykeiran handelte es sich bei Esfanjani um einen ehemaligen Freund und Mitarbeiter Vardanjanis aus dem Iran. Laut Peykeiran haben die beiden ein Treffen in Istanbul verabredet, und als Vardanjani sich mit Esfanjani unterhielt und sie nebeneinander her gingen, sei das Attentat verübt worden.

Da sind Unstimmigkeiten in den Details. Was stimmt? Fest steht das Datum des Mords: der 14.11.2019. Der Todesschütze, ein Mann namens Abdolwahhab Kuchik, der einem Netz von Drogenschmugglern unter Naji Sharifi Zindashti angehöre, habe sich vor dem Mordanschlag mit Esfenjani getroffen. Der verhaftete iranische Diplomat behauptet, zum Zeitpunkt des Mords nicht in der Türkei gewesen zu sein, er kenne auch Herrn Esfenjani nicht. Dem steht die Aussage eines Mitverhafteten des Todesschützen entgegen. Der Mitverhaftete namens Siyavash Abazari Shalamzari, der Esfenjani ebenfalls bei der Flucht in den Iran geholfen haben soll, sagte aus, dass der Diplomat Naserzade und einige Geheimdienstmitarbeiter Herrn Esfenjani auf dem Flughafen von Teheran empfangen hätten, als er aus dem Flugzeug ausstieg.

Abdolwahhab Kuchik ist laut Angaben von Peykeiran auch in den Mord am iranischen Medienunternehmer Sa’id (Saeed) Karimiyan verwickelt, der u.a. den iranischen Auslandssender GEM TV betrieb und 2017 in Istanbul ermordet wurde.

Zindashti, der Kopf der Drogenschmuggler, soll sich im Iran aufhalten. Gegen ihn werde in der Türkei auch wegen der Entführung von Farajollah Cha’b alias Habib Asyud, eines früheren Führers der Bewegung „Harakat al-Nidal“, aus der Türkei in den Iran ermittelt. Der Auftrag, Vardanjani zu ermorden, sei von zwei Geheimdienstmitarbeitern am iranischen Konsulat in Istanbul erteilt worden, wie ein Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes MIT gegenüber dem staatlichen türkischen Fernsehsender TRT erklärte.

Laut Peykeiran begaben sich Mitarbeiter türkischer Medien nach der Veröffentlichung der Nachricht über die Verhaftung des Konsulatmitarbeiters zum iranischen Konsulat in Istanbul, um dort Aufnahmen zu machen. Oubai Şahbandar vom türkischen Staatssender TRT berichtete, dass sein Team gerade filmte, als Mitarbeiter des iranischen Konsulats herauskamen und die Kamera attackierten. Er habe sein Handy gezückt, um das aufzunehmen und den Mitarbeiter des Konsulats zu fragen, wie er heiße und was er mit dem Mordfall an Masoud Moulavi Vardanjani zu tun habe, worauf ihn der Mann ebenfalls attackierte.

Auch hier gilt wieder der Hinweis, dass es nicht die Aufgabe von Geheimdiensten ist, die Öffentlichkeit wahrheitsgemäß zu informieren.

Ebenso fällt auch hier auf, dass eine Zeitung, die dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan nahe steht und angeblich auch zu dem Zweck gegründet wurde, eine englischsprachige Zeitung zu betreiben, die Erdogan-Standpunkte vertritt, amtliche iranische Stellen direkt der Beteiligung an Mordanschlägen verantwortlich macht. Handelt es sich hier um eine Wende in der türkischen Außenpolitik?

Die Türkei ist ein wichtiger Transitstaat und teilweise auch Aufnahmestaat für Flüchtlinge aus dem Iran und daher für den iranischen Geheimdienst ein wichtiger Stützpunkt. Falls der iranische Geheimdienst nicht mehr so frei in der Türkei agieren kann wie bisher, mag das die Tendenz stärken, die Peykeiran jetzt schon im Handeln der iranischen Geheimdienste sieht. Sie führen die Morde nicht mehr selbst aus, sondern bezahlen Drogenhändler, damit sie Auftragsmorde organisieren. Unter dem Begriff outsourcing, also eine Ausverlagerung von staatlichen Aufgaben an Privatunternehmen, ist dies geradezu ein Merkmal liberaler Politik…

Quellen

https://de.wikipedia.org/wiki/Daily_Sabah

https://www.radiofarda.com/a/turkey-arrest-iranian-diplomat-masoud-molavi/31097925.html
vom 23. Bahman 1399 (11.02.2021)
روزنامه صباح ترکیه: یک دیپلمات ایرانی در استانبول به اتهام مشارکت در قتل مسعود مولوی بازداشت شد

http://www.iran-emrooz.net/index.php/news1/87891/
vom 11.02.2021, 13:30 Uhr
بازداشت یک دیپلمات ایرانی متهم به ترور در استانبول

https://alischirasi.wordpress.com/2020/12/16/iran-entfuhrung-und-mord-in-der-turkei/

https://en.wikipedia.org/wiki/Saeed_Karimian

https://www.peykeiran.com/Content.aspx?ID=223284
vom 25. Bahman 1399 (13.02.2021)
در سفارت‌های جمهوری اسلامی چه می‌گذرد؟
ترور پاره‌وقت، قاچاق تمام‌وقت