Iran: Der hässliche Nationalismus

Aufgrund der herrschenden Ideologie, die von einer islamischen Nation, der Ummat ausgeht, haben die führenden Geistlichen der Förderung der verschiedenen Sprachen und Kulturen im Iran nie besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Turkmenen, Kurden, Aseris, Araber oder Balutschen waren in ihren Augen höchstens Unruhestifter, die es zu verhaften und niederzuschlagen gilt, wenn sie sich öffentlich mit ihren Interessen bemerkbar machten. Schnell wurden ihre Proteste als Werkzeug fremder Mächte dargestellt, die nur im Sinne haben, die Islamische Republik zu zerstören. Da schon die Vorgänger der Ajatollahs, der Schah von Persien und seine Militärs, in den Minderheiten nur Störenfriede sahen, die man im Zaum halten muss, hat die gewaltsame Unterdrückung von Minderheiten und ihrer Sprachen im Iran eine lange Tradition. Unterdrückung führt aber häufig dazu, dass die Unterdrückten sich als separate Gruppe wahrnehmen. Mit anderen Worten, sie erzieht diese Minderheiten zu nationalistischem Denken. Das ist die eine Seite.
Die andere Seite ist im Nationalismus der persischsprachigen Bevölkerung zu finden. Wohl die Mehrheit der persischsprachigen Schiiten im Iran dürfte mit der Herrschaft der Ajatollahs heute unzufrieden sein. Deshalb suchen viele ihr Heil in der Abwendung von der Religion und in der Zuwendung zu dem, was vor dem Islam war. Der Islam wird als aufgezwungene Importware durch die Araber betrachtet und somit als etwas Uniranisches. Iranisch ist das, was die Geistlichkeit aus religiösen Gründen am liebsten verboten hätte: Das Neujahrsfest Nourus, die längste Winternacht Schabe Yalda, die letzte Nacht von Dienstag auf Mittwoch im iranischen Kalender, die Tschaharschanbeye suri heißt und ebenfalls mit Feiern begangen wird. Auch die Besinnung auf irgendwelche vorislamischen Herrscher wie Kurusch (Kyros) usw. ist ein Produkt der Abwendung von der Religion.
Mit anderen Worten: Die Islamische Republik Iran treibt sowohl die nominelle Mehrheitsbevölkerung der Persischsprachigen wie auch die Minderheiten, die häufig mehrheitlich Sunniten und nicht Schiiten sind, in nationalistisches Fahrwasser und legt damit die Basis für eine künftige Sprengung des Irans als gemeinsamem Staat.
Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, ein Auge darauf zu haben, wo heute im Iran Nationalismus thematisiert wird. Ein jüngster Fall ist die Äußerung des Vorsitzenden der Reiter-Föderation des Irans namens Mas’ud Chalili. Er beklagte, dass die (iranischen) Turkmenen den Reitsport „monopolisieren“ und forderte die Bildung einer separaten Gruppe (von Reitern), um das Monopol dieser „Stammessippe von hungerleidenden, aufmüpfigen, drogensüchtigen Pijama-Gekleideten“ (das bezieht sich auf die Hosen der Turkmenen) zu brechen – im Original spricht er von ashireye pizhamepushhaye faqire sarkeshe mo’tad.


Sardar Azmun

Darauf hat ein bekannter iranischer Fußballer, der turkmenischer Herkunft ist, und Sardar Asmun (Azmun) heißt, protestiert und folgendes auf seiner Instagram-Seite geschrieben: „Unser Volk (= die Turkmenen) lebt friedfertig (wörtlich: mit Liebe) zusammen mit den Afghanen, Persern, Türken und Balutschen. (…) Ihre rassistischen Äußerungen (gemeint ist Mas’ud Chalili) über die Turkmenen hat uns nicht nur im Herzen getroffen, jetzt ist es uns schon zu viel, wenn wir nur Ihren Namen hören. Wir sind wirklich unzufrieden mit den Medien, wie wir in einem Land leben, wo doch unsere Religion der Islam ist und wo wir behaupten, Muslime zu sein, aber jeden Tag sind wir Zeugen von Beleidigungen und tausender Formen rassistischen Verhaltens, ohne dass ihr (= die Medien) darauf reagiert.“
Auch ein Parlamentsabgeordneter hat seine Kritik über diese rassistischen Äußerungen gegen die Turkmenen geäußert.

Kleiner historischer Rückblick
In der Geschichte der Revolution von 1979 spielen die Turkmenen eine besondere Rolle. Der Schah und seine Offiziere hatten sich in Turkaman-Sahra, der Region im Nordosten des Irans, wo die Turkmenen leben, beträchtliche Ländereien mit Gewalt angeeignet. Im Zuge der Revolution flohen die Generäle und der Schah, so dass sich in Turkaman-Sahra die Intellektuellen und Linken durchsetzen konnten und aus den Ländereien selbstverwaltete Genossenschaften und Kollektive Betriebe aufbauten. Dies war Ajatollah Chomeini ein Dorn im Auge. Er schickte das Militär nach Turkaman-Sahra, aber die Bevölkerung verteidigte die gewonnene Freiheit und dank der Revolution und der Flucht der Generäle hatte sie auch Waffen. Sie versetzten dem Militär der Ajatollahs eine Niederlage. Darauf ließ Chomeini die Anführer verhaften und nach Teheran bringen. Es kam zu gewaltigen Protesten unter den Turkmenen, so dass Chomeini angeblich anordnete, die inhaftierten Führer nach Turkaman-Sahra zurück zu bringen. Unterwegs wurden vier der turkmenischen Führer – Tumaj, Maxtum, Wahedi, Jorjani – entführt und hingerichtet. Die vier Ermordeten wurden unter den Turkmenen zur Legende und es entstand eine Art turkmenische Nationalhymne in Gedenken an die vier, die im Internet zu hören ist. Der zugehörige Text darunter ist eine gekürzte Wiedergabe des zugehörigen persischen Texts auf Deutsch.

chahar adheraxshe xalqe torkaman
Tumaj, Maxtum, Wahedi, Jorjani
18. Bahman 1358 (knapp ein Jahr nach der Revolution) entführt und nach schweren Folterungen am 29. Bahman 1358 hingerichtet. Die Führung der Islamischen Republik hat damals dieses Verbrechen geleugnet, aber der Todesrichter Hodschatoleslam Sadeq Chalchali, der auch bei der Verfolgung der Kurden eine berüchtigte Rolle spielte, hat Ende der 1360-er Jahre (Ende der 1980-er) in einem Interview mit der Teheraner Zeitung Keyhan zugegeben, dass diese vier Führer der turkmenischen Autonomiebewegung von der Islamischen Republik verhaftet und erschossen wurden. Laut Chalchali waren die meisten Verantwortlichen an der Staatsspitze darin eingeweiht.

https://news.gooya.com/2019/03/post-23928.php
vom 3.3.2019
ra’ise federasyune sawarkariye iran torkamanhara pizhamepushhaye faqir sarkeshe mo°tad xand

https://fa.wikipedia.org/wiki/%D8%B5%D8%A7%D8%AF%D9%82_%D8%AE%D9%84%D8%AE%D8%A7%D9%84%DB%8C
sadeq_xalxali
vom 25. Februar 2019

https://tr.wikipedia.org/wiki/Sad%C4%B1k_Halhali
vom 13.10.2018

https://en.wikipedia.org/wiki/Sadegh_Khalkhali
vom 14. Dezember 2018