Iran: Bericht aus drei Frauengefängnissen

Die Bürgerrechtsaktivistin Atena Da’emi war vom Monat Adhar 1395 (2016) bis zum Monat Bahman 1400 (Anfang 2022) im Gefängnis. Sie wurde nach 5 Jahren Haft entlassen. Sie berichtet u.a., dass die Frauen in der Anstalt nicht mehr ihre eigene Kleidung tragen dürfen. Bananen, Gurken oder Mohrrüben bekommen sie während der Haftzeit nicht zu essen, in den seltenen Fällen, wo so etwas ankommt, sind sie schon in Plastikbeuteln zermatscht. Angeblich soll dieses Verbot verhindern, dass sich die Frauen geschlechtlich befriedigen.
Um ein Feuerzeug, eine Nadel oder eine alte Schere zu erhalten, muss eine Frau bereit sein, Liebesbeziehungen zwischen gefangenen Frauen an die BeamtInnen zu verraten. Wer Geld hat, kann verschiedenste Dinge von den BeamtInnen erwerben, wer nicht, muss es sich anderweitig „erkaufen“.
Atena Da’emi hat ihre Haftzeit in drei verschiedenen Gefängnissen verbüßt: im Frauengefängnis Qaretschak bei Varamin, im Ewin-Gefängnis in Teheran, und im Lakan-Gefängnis von Rascht. Das Ewin-Gefängnis unterschied sich deutlich von den beiden anderen Haftanstalten. Denn im Ewin-Gefängnis waren die politischen Gefangenen konzentriert, während in den anderen Anstalten Frauen wegen unpolitischer Delikte einsaßen, unter miserablen Haftbedingungen. Am schlimmsten seien die Haftbedingungen im Qaretschak-Gefängnis gewesen.
Auf die Frage, was ihr während der Haftzeit am meisten zu schaffen machte, antwortet Atena Da’emi, sie habe zwar im Qaretschak-Gefängnis einiges ertragen müssen – dort wurde ein Besuchsverbot gegen sie verhängt, sie durfte keine Telefonanrufe empfangen und erhielt auch keinen Hafturlaub anlässlich der Hochzeit ihrer Schwester. Zudem wurden Mitgefangene aufgehetzt, sie und ihre Freundin anzugreifen. Aber das sei nicht das Schlimmste gewesen.
Einige Mitgefangene seien schon über zehn Jahre in Haft gewesen, denen sei es sehr schlecht gegangen.
Atena Da’emi berichtet auch, dass es im Gefängnis Banden gebe, die minderjährige Mädchen entführten, um sie teuer an Männer zu verkaufen. Die Mädchen würden im Alter von 1 bis fünf Jahren (?) entführt, vergewaltigt und dann auf der Straße ausgesetzt.
Atena Da’emi berichtet von zwei gefangenen Frauen aus dem Qaretschak-Gefängnis, die zu sechs Monaten bzw. zwei Jahren Haft verurteilt waren. Eine hatte Drogen verkauft, die andere saß wegen Diebstahl ein. Die eine hatte in der Nacht vor ihrer Haftentlassung einen Mord im Gefängnis verübt und wurde darauf zu 18 Jahren Haft verurteilt. Später wurde sie ins Gefängnis von Amin-Abad verlegt. Dort schlug sie den Arzt/die Ärztin und eine/n PflegerIn, außerdem biss sie den/die PflegerIn. Daraufhin wurden ihr sämtliche Zähne gezogen. Die andere, mit ihr befreundete Gefangene bekam wegen Mordes eine zusätzliche Strafe von 15 Jahren Gefängnis.
Atena ist überzeugt, wenn die Haftbedingungen in Qaretschak auch nur so wären wie im Ewin-Gefängnis, wäre das Gewaltniveau in der Anstalt wesentlich niedriger. Freilich sei auch da ein Unterschied zwischen dem politischen Trakt und dem allgemeinen Trakt zu beobachten. Im politischen Trakt durfte man Messer haben, um sich Essen zu kochen, im allgemeinen Trakt war das unmöglich, da hätte der Besitz eines Messers unerfreuliche Folgen.
Atena berichtet auch über die gesundheitlichen Folgen der schlechten Ausstattung des Qaretschak-Gefängnisses im Vergleich zum Ewin-Gefängnis. 90 Prozent der Frauen, die schon lange in Qaretschak in Haft sind, hätten einen gekrümmten Rücken oder einen Buckel hätten. Das liege unter anderem daran, dass das Gefängnis so überfüllt ist, dass die Frauen gekrümmt im Bett sitzen müssen, weil auf dem Boden kein Platz ist. Es sei auch eine Unterhaltung für das Gefängnispersonal gewesen, zwischen den Gefangenen Streit anzuzetteln und sich an den Folgen zu ergötzen. Solange die Gefangenen mit sich selbst beschäftigt waren, hatten die WärterInnen ihre Ruhe.

Atena berichtet von Liebesbeziehungen zwischen gefangenen Frauen, die aber durch die Überwachungskameras stark beeinträchtigt waren. Die Überbelegung der Anstalt und die Bespitzelung durch Mitgefangene trug das Ihrige dazu bei, dass die Unterdrückung solcher Beziehungen in Gewaltakte umkippte: Von Vergewaltigung, Verstümmelung und zwei Morden weiß Atena zu berichten. Die Atmosphäre der Gewalt führt dazu, dass einige alteingesessene Gefangene die jüngeren damit bedrohen, sie würden sie „zu den beiden“ (umgebrachten Frauen) schicken, also ebenfalls umbringen.

Quelle

https://www.peykeiran.com/Content.aspx?ID=245514