Iran: Krieg der Kulturen

Der neue iranische Präsident Ebrahim Raissi hat dem Parlament seine Minister-Wunschliste vorgelegt.

Minister für Kultur und Religiöse Aufklärung

Mohammad-Mahdi Esma’ili

Der Kandidat für das Amt des Ministers für Kultur und Religiöse Aufklärung (Wazire Farhang wa Ershad) heißt Mohammad-Mahdi Esma’ili. Er ist noch nicht ganz 45 Jahre alt. Sein Hauptverdienst scheint darin zu bestehen, dass er den Eindruck erweckt, die Gedankenwelt des Religiösen Führers Ajatollah Chamene’i zu verstehen und ein begeisterter Anhänger desselben zu sein.

So wie der Religiöse Führer in jeder Stadt den Freitagsimam bestellt, der seine politische Linie in der Moschee umsetzt, so hat der Religiöse Führer auch an jeder Hochschule seinen Vertreter, der dort den ideologischen Kampf führt. Laut der amtlichen iranischen Nachrichtenagentur IRNA hat Mohammad-Mahdi Esma’ili an diversen iranischen Universitäten als „Berater“ des jeweiligen Vertreters des Religiösen Führers gewirkt. Er soll über 70 „Seminare“ für Hochschuldozenten abgehalten haben, in denen ihnen die Ziele des Führers vermittelt wurden, und Hunderte von Artikeln und Reden verfasst haben, um die Grundlagen der „kulturellen, geistigen und politischen Äußerungen“ von Ajatollah Chomeini und Ajatollah Chamene’i zu erläutern. Auch als Schriftsteller hat Mohammad-Mahdi Esma’ili sich betätigt. Vier Bücher sind bis jetzt erschienen:

  • „Die politische Gedankenwelt von Ajatollah Chamene’i“ (Andisheye Siyasiye Ayatollah Khamene’i)
  • „Wenn Pahlawi (gemeint ist der Schah Resa Pahlawi) weiter regiert hätte“ (Agar Pahlawi Edame Mi Yaft)
  • „Iranische Männer des 14. Jahrhunderts“ (Rejale Iraniye Qarne Chahardahom)(nach dem iranischen Kalender haben wir jetzt gerade das Jahr 1400)
    (Das Wort rejâl – Männer – ist arabisch und im normalen gesprochenen Persisch unüblich, hier soll schon die Wortwahl die Nähe zur arabischen Sprache und damit zum Koran markieren. Dass für ihn da nur die Männer von Bedeutung sind, versteht sich von selbst.)
  • „Der Weltkrieg gegen Syrien“ (Jange Jahani Aleyhe Suriye).

Um einen Eindruck von der Qualität dieser Bücher zu bekommen, sei hier der Anfang aus seinem Werk über Chamene’is Gedankenwelt zitiert:

„Imam Chamene’i, der erhabene Führer des islamischen Revolution, hatte schon in den Anfangstagen des Kampfes im dritten und vierten Jahrzehnt seines edlen Lebens einen tiefen, theoriedurchdrungenen Blick auf das Thema der Islamischen Regierung und der Verwirklichung des politisch-religiösen Gedankenguts zur Herausbildung der Herrschaft. Das heilige, revolutionäre Interesse, das mit der Bekanntschaft mit Navab Safavi in der religiösen Schule (Madrasse) von Soleyman Khan in Maschhad begann und mit seiner Lehrzeit, seiner Liebe und Ergebenheit zum verschiedenen Imam (gemeint ist Ajatollah Chomeini) zur Reife und Vollkommenheit fand, setzte für ihn die Stärkung der Literatur, die Notwendigkeit der Bildung einer islamischen Regierung, und die Übersetzung und zur Verbreitung der Werke von Seyyed Qotb auf die Tagesordnung. (…)“

Es sieht so aus, als hätte Mohammad-Mahdi Esma’ili schon früh erkannt, was die Schwäche von Ajatollah Chamene’i ist. Er will als geistiger Führer ernst genommen werden. Und genau das war Chamene’i nicht, als er nach Chomeinis Tod zum neuen Religiösen Führer bestimmt wurde. Einer, der den Deal damals wesentlich mitbestimmt haben soll, war Ajatollah Rafsandschani, der Chamene’i namentlich deshalb ausgesucht und vorgeschlagen hatte, weil dieser über kein Ansehen und keine Hausmacht verfügte. Die heimliche Hoffnung von Rafsandschani war dabei wohl, dass Chamene’i dann umso leichter zu manipulieren wäre. Mag sein, dass Chamene’i kein fähiger Theologe ist – mir fehlt die Kompetenz, das zu beurteilen, aber den Machtinstinkt und die entsprechenden Fähigkeiten hat Rafsandschani wohl unterschätzt. Und so kam Rafsandschani Anfang 2017 allein in einem Schwimmbad ums Leben, indem zur rechten Zeit der Strom und das Licht abgestellt wurden, so dass niemand das Geschehen filmen konnte…

Mohammad-Mahdi Esma’ili ist zugegeben einige Nummern „kleiner“ als Rafsandschani, aber indem er den Eindruck erweckt, dass er Ajatollah Chamene’is Gedanken ernst nimmt, hat er wohl Zugang zum Führer gefunden. Und dieser Zugang ist der Schlüssel in die höheren Ämter, jetzt also vielleicht zum Ministeramt.

Versteht sich, dass er seine Zukunft darin sieht, die tatsächlichen oder vermeintlichen Wünsche des Führers zu erfüllen, was für die Welt der Hochschulen und der Kunst (ob Bücherschreiben, Filme drehen oder Musik) nichts Gutes verheißt. So hat Mohammad-Mahdi Esma’ili kritisiert, dass die neuen erfolgreichen iranischen Filme eine unislamische Lebensweise propagieren und die islamische Revolution sabotieren“, zig Filme vermittelten ein positives Bild von „schamlosen“ Frauen.

Das Theater kommt bei ihm auch nicht besser weg. Er legt ihm zur Last, dass es den Säkularismus propagiere.

Man darf auch davon ausgehen, dass der vorgeschlagene Minister für Kultur und Religiöse Aufklärung heftig bei der Mode und Kleiderordnung mitmischen wird, denn der ideologische Kampf im Iran ist eng damit verknüpft, wie sich die Frauen kleiden. Ya: ru sari, ya: tu sari. – Entweder Kopftuch oder eins auf die Rübe! Esma’ili schreibt in seinem Programm, dass die Designer islamischer Bekleidung nicht wirklich unterstützt“ würden und die Frauen im Iran „keine islamische Bekleidung zur Auswahl“ hätten. Das schreibt einer heute im Iran im Jahre 1400 (2021)! Als Minister will Esma’ili auch entsprechende Textilfirmen und Zeitschriften für islamische Mode unterstützen. Esma’ili will die kulturelle Front der Revolution stärken, was auch die Unterstützung des Religiösen Führers finde. Sind seine Frontkämpfer dann die, die Frauen Säure ins Gesicht spritzen?

Kultusminister und Minister für Wissenschaft, Forschung und Technik

2017, als der damalige Präsident Hassan Rouhani sein zweites Kabinett zusammenstellte, kam durch eine Anfrage des Abgeordneten Mahmud Sadeqi ans Tageslicht, dass der Religiöse Führer mehr als zehn vorgeschlagene Kandidaten des Präsidenten für diese beiden Ämter abgelehnt hatte, weil sie ihm nicht in den Kram passten. Das macht deutlich, wie wichtig diese beiden Posten aus der Sicht des Religiösen Führers sind.

Minister für Wissenschaft, Forschung und Technik

Mohammad-Ali Zolfi-Gol

Mohammad-Ali Zolfi-Gol (Jahrgang 1345 = 1966), Chemie-Professor, ehemaliger Präsident der Abu-Ali-Sina-Universität, hat im Iran verschiedene Auszeichnungen auf dem Gebiet der Chemie erhalten. Er hat eine Neubesetzung der Stellen im Ministerium bevorzugt mit Hisbollahi-Leuten angekündigt. Radiofarda ordnet ihn unter die Militaristen ein, da er in den 1980ern (der Zeit des iranisch-irakischen Kriegs) in der Division Ali Ebne Abi-Taleb der Pasdaran gedient hat – und dort in einer Einheit, die die Frontlinien durchbrechen sollte, und der an den Angriffswellen auf den Irak mit dem Namen Al-Fadschr (Morgenröte) beteiligt war. Diese Angriffe auf den Irak, die namentlich der Eroberung von Basra dienten und den Zugang des Iraks zum Persischen Golf absperren sollten, fanden vor allem 1987 statt, zu einer Zeit, als Mohammad-Ali Zolfi-Gol 21 Jahre alt war. Die persische Wikipedia berichtet, dass bei einer Überprüfung der (ideologischen) Eignung des Kandidaten für das Amt des Wissenschaftsministers der Abgeordnete von Teheran Seyyed Ali Yazdi Khah erklärt habe, dass Zolfi-Gol besondere Sympathien für den früheren Präsidenten Chatami habe, dass er bei den Wahlen von 2005 extra nach Hamedan gereist sei, weil Mostafa Mo°in (Wissenschaftsminister unter Chatami) dorthin gekommen sei, und dass er sich jedesmal aufrege, wenn man ihn über die Verschwörung (Fetne) von 2009 frage. Der Begriff „Verschwörung“ wurde von den Gegnern der Reformisten geprägt, um die Proteste gegen die Wahlfälschung vom Juni 2009 zu kriminalisieren.

Kultusminister

Hossein Baghgoli

Hossein Baghgoli (Jahrgang 1357 = 1978) ist Doktor der Erziehungswissenschaften und seit drei Jahren Direktor bei der Bonyade Farhangiye Razavi (Kulturstiftung von Imam Reza) in Maschhad. Diese Stiftung hat 19 Schulen mit rund 7000 Schülern unter sich. In das Amt des Direktors setzte ihn übrigens vor drei Jahren Ebrahim Raissi, der damals die Dach-Stiftung Astan-e Qods Razavi leitete, eines der größten Wirtschaftsimperien im Iran und im Nahen Osten. Raissi war von Ajatollah Chamene’i in dieses Amt eingesetzt worden. Bei dieser Ernennungspolitik könnte man geradezu von Seilschaften sprechen… Baghgoli hat in Aussicht gestellt, das Kultusministerium, das derzeit auch für die Kindergärten zuständig ist, nach den Prioritäten von Ajatollah Chamene’i auszurichten. Dem Religiösen Führer gefällt wohl namentlich die Entwicklung in den iranischen Kindergärten nicht, so dass sich Baghgoli speziell darum kümmern wollte.

Egal, wie hoch die Verdienste von Hossein Baghgoli in den Augen von Ajatollah Chamene’i sind, das Parlament hat diesem Ernennungsvorschlag nicht zugestimmt. Die Motive des Parlaments für diese Entscheidung sind nicht bekannt.

Minister für kulturelles Erbe, Tourismus und Kunsthandwerk

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Ezzatollah Zarghami (Bild: Wikipedia)

Ezzatollah Zarghami (Jahrgang 1960) war zehn Jahre lang Direktor der staatlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten Seda wa Sima, ein Posten, der direkt vom Religiösen Führer besetzt wird. Er soll auch an der Unterdrückung der Proteste gegen die Wahlfälschung von 2009 beteiligt gewesen sein. Als ehemaliger Pasdar-Kommandant stand er auch auf Embargo-Listen der USA und der Europäischen Union. Er gehört dem Hohen Rat für den virtuellen Raum an (also einer Institution zur Zensur des Internets), ebenso dem Hohen Rat für die Kulturrevolution. Er gehört zur Gruppe jener Studenten, die 1979-1981 die US-Botschaft in Teheran besetzten und dabei 52 Diplomaten als Geiseln festhielten.

Quellen:

در دهه شصت، در لشگر علی ابن ابی‌طالب سپاه پاسداران و گردان خط شکن سیدالشهدا والفجر مقدماتی حضور داشته است
https://www.radiofarda.com/a/cultural-ministers-in-raisi-proposed-cabinet/31421384.html
vom 30. Mordad 1400 (22. August 2021)

افسران امنیتی و جنگ نرم خامنه‌ای در پوشش وزرای فرهنگ و آموزش
https://fidibo.com/book/98004-اندیشه-سیاسی-حضرت-آیت-الله-خامنه-ای

https://fa.wikipedia.org/wiki/%D9%85%D8%AD%D9%85%D8%AF%D8%B9%D9%84%DB%8C_%D8%B2%D9%84%D9%81%DB%8C%E2%80%8C%DA%AF%D9%84

(Mohammad-Ali Zolfi-Gol)

https://fa.wikipedia.org/wiki/%D8%AD%D8%B3%DB%8C%D9%86_%D8%A8%D8%A7%D8%BA%DA%AF%D9%84%DB%8C

(Hossein Baghgoli)

https://fa.wikipedia.org/wiki/%D8%B3%DB%8C%D8%AF_%D8%B9%D8%B2%D8%AA%E2%80%8C%D8%A7%D9%84%D9%84%D9%87_%D8%B6%D8%B1%D8%BA%D8%A7%D9%85%DB%8C

(Ezzatollah Zarghami)

https://de.wikipedia.org/wiki/Geiselnahme_von_Teheran#:~:text=Bei%20der%20Geiselnahme%20von%20Teheran,November%201979%20bis%20zum%2020.