Iran – Saudiarabien: Annäherungsversuche

Flag of Iran
Flagge des Iran (Wikipedia)
Flag of Saudi Arabia
Flagge von Saudi-Arabien (Wikipedia)

Die Webseite iran-emrooz.net berichtet unter Berufung auf mehrere Quellen, dass es wieder direkte Kontakte zwischen der Regierung des Irans und Saudiarabiens gibt. Laut Middle East News soll ein hochrangiger Amtsträger des Iraks die Medien informiert haben, dass auf irakische Initiative ein Treffen zwischen Vertretern der Sicherheitsorgane des Irans und Saudiarabiens in Baghdad stattgefunden habe. Die Zeitung Financial Times weist darauf hin, dass dies die ersten direkten Kontakte zwischen saudischen und iranischen Vertretern seit dem Abbruch der Beziehungen vor fünf Jahren seien. Dies sei auch vor dem Hintergrund der iranisch-US-amerikanischen Gespräche in Wien zur Wiederaufnahme des internationalen Atomabkommens mit dem Iran (persisch BARJAM) zu sehen.

Khalid bin Ali Al Humaidan

Der Führer der saudischen Delegation sei Khalid bin Ali Al Humaidan, Leiter der saudischen Geheimdienstdirektion, der über 20 Jahre im saudischen Militär gedient hat und auch an Friedensverhandlungen mit den jemenitischen Huthi-Milizen beteiligt war.

Qasim al-Araji

Ein hochrangiger Beamter aus dem Büro des irakischen Premierministers soll gegenüber Al-Arabiy Al-Jadid erklärt haben, das Treffen habe vor zehn Tagen unter der Aufsicht von Qasim al-Araji (= Qasim Mohammad Jalal al-Araji Hussaini) in Baghdad stattgefunden. Qasim al-Araji war während des iranisch-irakischen Kriegs in den Iran übergewechselt, hatte dort Buchhaltung an der Ajatollah-Mottahari-Universität und islamische Theologie studiert, dann war er den schiitischen Badr-Brigaden beigetreten, die von den iranischen Pasdaran trainiert und finanziert wurden. Er betrieb geheimdienstliche Aktivitäten gegen den irakischen Führer Saddam Hussein. Nachdem die USA 2003 Saddam Hussein gestürzt hatten, ging Qasim al-Araji in den Irak, wo er 2003 für drei Monate und 2007 erneut für 23 Monate von den US-Kräften inhaftiert und wieder freigelassen wurde. Von 2017 bis 2018 war er irakischer Innenminister.

Mustafa al-Kadhimi

Qasim al-Araji führt seine Tätigkeit als Vermittler in den iranisch-saudischen Gesprächen unter direkter Aufsicht des irakischen Premierministers Mustafa al-Kadhimi durch. Ein interessantes Detail, denn Mustafa al-Kadhimi war 1985 als Gegner von Saddam Hussein aus dem Irak in den Iran geflohen, von dort nach Deutschland und ließ sich schließlich in Großbritannien nieder, wo er die britische Staatsbürgerschaft erwarb. Nach dem Sturz von Saddam Hussein kehrte er in den Irak zurück, war Mitbegründer des Iraqi Media Network und Leiter der Iraqi Memory Foundation, die von 2003 bis 2010 die Verbrechen des Regimes von Saddam Hussein aufarbeitete und dokumentierte. Mustafa al-Kadhimi schrieb in irakischen Zeitungen und war drei Jahre lang Herausgeber des irakischen Newsweek magazine. Im Juni 2016 wurde er neuer Direktor der irakischen Geheimdienstes, wo er das Sammeln und Analysieren von Informationen auf modernen Stand brachte und die Zusammenarbeit mit diversen Staaten im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) organisierte. Dieses Amt übte er bis April 2020 aus, seit Mai 2020 ist er irakischer Ministerpräsident. Im April 2020 wurde Mustafa al-Kadhimi von den Kata‘ib Hezbollah – einer vom Iran unterstützten Organisation, beschuldigt, an der Ermordung des iranischen Pasdar-Generals Qassem Soleimani im Irak schuld zu sein.

???

Während die Quellen einiges zum irakischen Gastgeber und zumindest den Namen des saudischen Delegationsführers nennen, schweigen sie sich penetrant aus, was die Vertreter von iranischer Seite angeht. Auch die iranische Webseite schweigt sich da aus. Da es um „Sicherheitsfragen“ und Geheimdienste geht, wird das auch auf iranischer Seite jemand aus diesem Bereich sein. Und da Außenpolitik im Iran unter der Aufsicht des Religiösen Führers Ajatollah Chamene‘i steht, muss es jemand sein, der sein Vertrauen genießt. Warum wird sein Name geheim gehalten? Vermutlich geht es darum, innenpolitisch das Gesicht zu wahren. Schließlich war es Ajatollah Chamene‘i persönlich, der über Jahre gegen Saudiarabien gehetzt hat.

Auftragsjournalismus

Verräterisch ist der drittletzte Abschnitt aus dem Artikel in iran-emrooz.net: „Im Jahre 2016 hatte eine Gruppe von Protestierenden im Iran die Botschaft Saudiarabiens in Teheran angegriffen und einen Teil davon in Brand gesteckt. Dieses Vorgehen führte zum Abbruch der Beziehungen zwischen den beiden Staaten und zur Schließung der saudischen Botschaft in Teheran.“ Wer diesen Abschnitt geschrieben hat, verfolgte ein klares Ziel. Den Religiösen Führer in Schutz zu nehmen. Denn eins ist klar. Im Iran gibt es keine „Protestierenden“, die mal eben so eine Botschaft angreifen und anzünden können. Es ist ja auch kein Wunder, dass diese „Protestierenden“, von iranischen Staatsmedien auch als „spontane Kräfte“ dargestellt, nichts von der Justiz zu befürchten hatten. Denn sie arbeiteten und arbeiten im Auftrag des Religiösen Führers. Da sie nicht in Uniform auftreten, können sich die staatlichen Auftraggeber später leicht rausreden. Faktum ist: Die iranischen Machthaber haben keine Probleme und keine Hemmungen, Demonstranten landesweit zu Tausenden zu erschießen und zu verhaften, wenn ihnen die Demonstrationen nicht genehm sind.

Denkbare Motive für die Kontaktaufnahme

Der Artikel erwähnt die Gespräche zwischen der Regierung Joe Biden und der iranischen Seite in Wien im Zusammenhang mit dem internationalen Atomabkommen. Das ist nur die halbe Seite. Wer vom Atomabkommen (BARJAM) redet, sollte auch von dessen Unterminierung durch die iranischen Machthaber reden. In Natanz zum Beispiel, wo eine große unterirdische Fabrik zur Anreicherung von waffenfähigem Uran errichtet wurde. In der Fabrik gab es kürzlich einen Brand, für den mehr oder weniger versteckt Israel verantwortlich gemacht wurde. Jetzt behauptet die staatliche iranische Rundfunk- und Fernsehgesellschaft Seda wa Sima, der Haupttäter sei ein 24-jähriger Jüngling namens Karimi. Und der sei ins Ausland geflohen. Prüfe nach, wer kann! Vielleicht will Ajatollah Chamene‘i die Gunst der Stunde nutzen und Saudiarabien als Verbündeten im Kampf gegen Israel ins Boot holen? Dass die Saudis ihrerseits den Huthi-Milizen die Flügel stutzen wollen, um sich vor deren Raketenangriffen zu schützen, liegt nahe. Und die iranische militärische Unterstützung für diese Milizen ist bekannt. Ein weiteres Thema, das auf der Hand liegt, ist der Erdölpreis. Wenn der Iran wieder exportieren darf, ist Saudiarabien ein wichtiger Gegenspieler, der den Preis drücken kann. Absprachen lägen nahe.

Quellen:

https://www.iran-emrooz.net/index.php/news1/89610/

abgerufen 30. Farwardin 1400 (19. April 2021), vom 18. April 2021

جزئیات دیدار مقام‌های ایران و عربستان در بغداد

https://www.radiofarda.com/a/iran-intelligence-publishes-snapshot-of-reza-karimi-natanz-allegations/31208706.html

vom 28. Farwardin 1400 (17. April 2021)

پنج روز پس از حادثه نطنز؛‌ وزارت اطلاعات: عامل اصلی از کشور خارج شده است

https://en.wikipedia.org/wiki/Khalid_bin_Ali_Al_Humaidan

https://en.wikipedia.org/wiki/Qasim_al-Araji

https://ar.wikipedia.org/wiki/قاسم_الأعرجي

https://en.wikipedia.org/wiki/Mustafa_Al-Kadhimi

https://en.wikipedia.org/wiki/Badr_Organization