Iran: Wie entsorge ich eine Diktatur?

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Zahra Rahnaward

Zahra Rahnaward ist die Frau von Mirhossein Mussawi. Ihr Mann war 2009 als Präsidentschaftskandidat gegen den damaligen Präsidenten Ahmadineschad getreten und hatte die Wahl gewonnen. Der Sieg an der Urne hat nichts geholfen, denn der Wahlleiter, der das wahre Ergebnis bekannt gab, wurde umgebracht, und Ajatollah Chamene’i sorgte dafür, dass Ahmadineschad eine zweite Amtszeit antreten konnte. Zahra Rahnaward und Mirhossein Mussawi sowie ein weiterer Kandidat namens Mehdi Karrubi und seine Frau Fatemeh Karrubi werden seitdem unter der Bezeichung „Hausarrest“ in illegaler Haft ohne Prozess gehalten. Die Machthaber bezeichnen das als Ausdruck von Milde, weil die so Inhaftierten in einem Prozess zum Tode verurteilt würden. Den Grund für diese „Milde“ geben die Ajatollahs nicht bekannt und nach all den Massakern und Justizmorden seit 2009 ist auch nicht ersichtlich, dass die Machthaber Angst vor „dem Volk“ hätten, um sich an einer Hinrichtung gehindert zu fühlen. Dass die Vier noch am Leben sind, geht also vermutlich auf politisches Kalkül zurück.

Kritik an der Hinrichtung von Ruhollah Zam

Diesen Spielraum nutzt Zahra Rahnaward jetzt mit einer öffentlichen Erklärung auf der Webseite Kalame zur Hinrichtung des Journalisten Ruhollah Zam. Dieser war aus seinem Exil in Frankreich in den Irak gelockt und von dort in den Iran entführt worden. Er wurde kürzlich nach einem relativ kurzen und unfairen Prozess gehängt. Zahra schreibt an die Machthaber gerichtet, dass Unterdrückung und Blutvergießen zu einer systematischen Erscheinung im Iran geworden sind. Und weiter: „Ich empfehle Ihnen einen Blick in die Geschichte, wie es Regierungen ergangen ist, die mit diktatorischen und tyrannischen Methoden gegen die Bürger vorgingen. (…) Ihr habt den Journalisten Ruhollah Zam, der Aufklärung über die heimlichen Einkünfte und Korruption betrieben hat, ruhmreich aus einem anderen Land entführt, verhaftet und gefoltert. Ihr stellt ihn fern von den Blicken des Volkes vor Gericht und verurteilt ihn zum Tode.“ Sie verweist zum Schluss auf einen Ausspruch des Propheten Mohammad: „Eine Regierung kann mit (der Existenz von) Unglauben weiterbestehen, aber nicht mit Unterdrückung.“

Die Frau als Fliegengewicht der Macht

Ihre Meinung ist den Machthabern egal. Welches Gewicht Islamisten den Frauen beimessen, kann man daran erkennen, dass ihre Aussage vor Gericht nur halb so viel wiegt wie die eines Mannes.  Die gesamte Geistlichkeit im Iran bis zu den obersten Ajatollahs besteht aus Männern, und unter den Generälen der Revolutionswächter (Pasdaran) sind bis jetzt auch noch keine Frauen aufgefallen. Frauen sind in den oberen Kreisen der Macht nicht zu finden und ihre Meinung hat bei den Herrschaften kein Gewicht. Das weiß Zahra Rahnaward aus nächster Anschauung. Und deshalb sind solche Äußerungen nur scheinbar an die Regierenden gerichtet. Der wahre Adressat ist die Bevölkerung. Solche Kritik besagt nichts anderes als: Wir stehen auf eurer Seite. Was nicht heißt, dass Meinungsäußerungen straflos bleiben. Denn häufig geht es nicht um den Inhalt der Kritik, sondern darum, dass Kritik als Gesichtsverlust wahrgenommen wird.

Der Blick in die Geschichte

ist ein zweischneidiges Schwert. Zahra Rahnaward mag Recht haben, dass Diktaturen mitunter ein blutiges Ende nehmen. Aber der mahnende Zeigefinger nützt nichts. Solange für die Machthaber und ihre Unterstützer nur die Wahl bleibt, blutig an der Macht festzuhalten, um „ihr“ Eigentum und ihre Privilegien zu retten, oder aber umgebracht oder aus dem Land vertrieben zu  werden, werden sie sich schwer auf eine Machtübergabe einlassen. Ist hier eine Verhandlungslösung möglich? Und wenn nicht, warum soll man dann überhaupt noch mit den Machthabern reden? Welche Wege gibt es, diese Diktatur loszuwerden, ohne danach den Aufbau der nächsten zu erleben? Eine entscheidende Rolle hat hier die Erziehung. Was leben die Eltern ihren Kindern vor, was lernen diese? Mit lernen ist hier nicht die Schulbildung gemeint. In Staaten mit so hohem Anteil an junger Bevölkerung wie der Iran entscheidet das darüber, wie es weitergeht, und nicht die Waffen und nicht das Geld. Eine Regierung kann man stürzen, aber wenn in den Köpfen die gleichen Vorstellungen regieren wie in den Köpfen der heute Herrschenden, dann ist die nächste Revolution so wenig wert wie die von 1979.

Quellen

https://www.radiofarda.com/a/31010091.html
vom 30. Adhar 1399 (20.12.2020)
زهرا رهنورد: جوان‌کشی و خونریزی سیستماتیک برای دولتمردان پیش‌ پا افتاده شده است

https://news.gooya.com/2020/12/post-46630.php
vom 20. Dezember 2020
پیام زهرا رهنورد در اعتراض به اعدام روح الله زم