Iran – Justizchef Ra‘issi: der falsche Ajatollah


Der sogenannte „Ajatollah“ Ra’issi, in der Mitte mit schwarzem Turban (Zeitungsfoto der Ausgabe von imtiazdaily.ir am 12. März 2019)

Wie berichtet, wurde am 7. März 2019 Ebrahim Ra’issi vom Religiösen Führer Ajatollah Chamene’i zum neuen Oberhaupt der iranischen Justiz ernannt. Zeitgleich mit der Ernennung erscheinen in einigen iranischen Medien Artikel, in denen Ebrahim Ra’issi als Ajatollah bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um eine gezielte Fälschung, da Ra’issi lediglich den theologischen Rang eines Hodschat-ol-Eslam besitzt. Ihm fehlen die erforderlichen Studien und Publikationen sowie die formelle Anerkennung durch andere Ajatollahs. Aber so, wie mancher Politiker auf einmal einen Doktor besitzt, wenn er in höhere Ränge aufsteigt, läuft das im Iran mit dem Titel des Ajatollah. Der Religiöse Führer Ajatollah Chamene’i ist selbst ein Beispiel dafür. Als nach dem Tod von Ajatollah Chomeini ein Nachfolger in das Amt des Religiösen Führers gewählt werden sollte, entschied sich Ajatollah Rafsandschani für ihn, weil er annahm, dass der damalige Hodschat-ol-Eslam Chamene’i ohne eigene Hausmacht gut manipulierbar sein würde. Allerdings besaß Rafsandschani noch das politische Feingefühl, Chamene’i im Vorfeld formal zum Ajatollah erklären zu lassen. Chamene’i ist da etwas plumper. Er setzt auf die Medien, nach dem Motto: Wenn ich eine Lüge tausendmal wiederhole, bleibt sie schon sitzen. Ajatollah Rafsandschani hat sich übrigens in der Person Chamene’is verkalkuliert. Er starb am 8. Januar 2017 in Teheran, angeblich an den Folgen eines Herzinfarkts, wie die deutsche Wikipedia getreu der amtlichen iranischen Propaganda verkündet. Dabei pfeifen es im Iran die Spatzen von den Dächern: Als Rafsandschani wie jeden Tag in dem für ihn reservierten Schwimmbad seine Runden drehte, ging plötzlich das Licht aus und ein Tod durch Ertrinken war angesagt. Das ist inzwischen schon so bekannt, dass dieses Jahr bei öffentlichen Demonstrationen von Fundamentalisten im Iran den Gegnern damit gedroht wurde, sie beim Schwimmen zu ertränken.
Zahlreiche iranische Intellektuelle haben gegen die Ernennung Ra’issis zum Justizoberhaupt protestiert und dies als Ohrfeige für die öffentliche Meinung bezeichnet. Damit haben sie zweifellos Recht. Aber seit wann haben sich die iranischen Machthaber um die öffentliche Meinung geschert? 1992, als sie in Berlin mehrere iranischen Kurden ermorden ließen? 1999, als sie den Sturm von Studentenwohnheimen anordneten und die Studenten aus dem Fenster werfen ließen? 2009, als sie die Millionenproteste gegen die Wahlfälschung ein Jahr lang niederknüppeln ließen?
Ajatollah Chamene’i ist 1939 geboren, Ebrahim Ra’issi 1960. Irgendwann schlägt die Stunde für Chamene’i, und deshalb hat er in Ra’issi die Wahl für jemanden getroffen, der weiter mit aller Gewalt dafür sorgen wird, das System zu erhalten. Das hat Ra’issi in seiner ganzen Karriere bewiesen.
Es geht um die Macht. Nicht um Titel, nicht um Dankbarkeit, nicht um Demokratie und nicht um Gerechtigkeit.

https://de.wikipedia.org/wiki/Ali_Akbar_H%C4%81schemi_Rafsandsch%C4%81ni