Dieser Weblog wird seit dem Jahr 2004 ehrenamtlich von Personen deutscher und iranischer Herkunft betrieben. Wir verteidigen die Menschenrechte, unterstützen Politische Gefangene und berichten regelmäßig über die aktuelle politische, wirtschaftliche und kulturelle Situation im Iran.
Weblog von Ali Schirasi
Dieser Weblog wird seit dem Jahr 2004 ehrenamtlich von Personen deutscher und iranischer Herkunft betrieben. Wir verteidigen die Menschenrechte, unterstützen Politische Gefangene und berichten regelmäßig über die aktuelle politische, wirtschaftliche und kulturelle Situation im Iran.
Rasul Chadem, der Präsident der Föderation der Sportringer des Irans
Rasul Chadem, der Präsident der Föderation der Sportringer des Irans, ist zurückgetreten und hat in einem offenen Brief die politische und militärische Führung des Landes kritisiert.
Hintergrund ist die Tatsache, dass die iranischen Ringkämpfer, die auf den olympischen Spielen oft Goldmedaillen holen, dieses Jahr auf israelische Partner getroffen wären. Für die Spieler kein Problem. Aber für diejenigen, die ständig „Tod für Israel“ gröhlen und daraus einen religiösen Glaubenssatz gemacht haben, war das nicht akzeptabel. Sie haben die iranischen Sportler gezwungen, auf die Teilnahme zu verzichten oder sich krank zu melden, was zur Folge hat, dass sie als Verlierer angesehen werden und unter Umständen von den Spielen ausgeschlossen werden.
Rasul Chadem kritisierte, dass die Verantwortlichen dieser Politik sich hinter dem Rücken der Sportler verstecken statt das Problem direkt im Olympischen Komitee anzugehen.
Aus Solidarität mit ihm hatten zahlreiche andere Funktionäre der Föderation der Sportringer des Irans ebenfalls den Rücktritt erklärt. Er bat sie aber, ihre Arbeit weiter auszuüben, der Ringsport habe ohnehin zu wenig Unterstützung in den oberen Etagen.
Bekanntlich pflegt Masud Barsani, das Oberhaupt der Kurdischen Autonomie im Nordirak, gute Beziehungen zur türkischen Regierung. Ohne deren Einverständnis kämen die Erdölexporte aus der Kurdischen Autonomie zum Erliegen, denn bislang waren diese einzig über die Türkei möglich. Da die Erdölexporte die Haupteinnahmequelle der Kurdischen Autonomie sind, käme ein Konflikt mit der türkischen Regierung einem wirtschaftlichen Selbstmord gleich. Das wäre das letzte, was man von den macht- und geldgierigen Politikern des Barsani-Clans erwarten dürfte. Da die türkische Regierung aber den ehemaligen PKK-Führer Abdullah Öcalan im Gefängnis hält und derzeit Krieg gegen die PKK führt, ist naheliegend, dass die PKK nichts von den kurdischen Machthabern im Nordirak hält, namentlich den Barsanis, und umgekehrt.
Hediye Yusuf, die Co-Vorsitzende des Gründungsparlaments der Demokratischen Föderation Nordsyrien
Deshalb lohnt es sich, einen Blick in Medien zu werfen, die PKK-Standpunkte wiedergeben. Dies ist namentlich die Internetzeitung Yeni Özgür Politika (Neue Freie Politik). Am 27. September 2017 erschien dort ein Artikel unter dem Titel „Der erste und grundlegende Schritt ist gemacht“. Das bezieht sich nicht auf das Unabhängigkeitsreferendum im Nordirak, sondern auf sogenannte Kommunalwahlen (wörtlich: Kommunen-Wahlen), die am 22. September 2017 in den kurdischen Gebieten Syriens organisiert wurden. Wie Hediye Yusuf, die Co-Vorsitzende des Gründungsparlaments der Demokratischen Föderation Nordsyrien, erklärt, habe die Wahlbeteiligung über 70% gelegen. Details über die Wahlen erfährt man nicht, nur nichtssagende Parolen. Das Referendum im Nordirak ist kein Thema.
Fehlanzeige
Man könnte ja glauben, dass der Artikel von Sinan Cudi vom Vortag mit dem Titel „Unabhängiges und freies Kurdistan“ sich dem Thema des Referendums widmet, aber er streift den Nordirak nur am Rande, wenn er schreibt: „Das von der Demokratischen Partei Kurdistans verfochtene Nationalstaatsmodell, die versucht, in Südkurdistan einen Monopolanspruch zu erheben, sowie das Modell einer demokratischen Föderation, das von Rojava (kurdisches Gebiet in Syrien) verfochten wird – beide werden den kommenden Jahren ihren Stempel aufdrücken.“ In seinen Überlegungen konzentriert er sich auf das Modell einer „Demokratischen Föderation“, die im syrischen Kurdistan aufgebaut werden soll.
Erdogans Regenbogenpresse feuert gegen das Referendum im Nordirak
Erdogan hat wieder Hass gekotzt
Beim dritten Anlauf findet sich doch etwas. Unter dem Titel: „Erdogan hat wieder Hass gekotzt“ wird kurz vom Referendum im Nordirak berichtet, an dem sich 72% der Bevölkerung beteiligt hat (3,3 Millionen von 4,6 Mio Wahlberechtigten). Die Ergebnisse würden innerhalb von 72 Stunden bekannt gegeben. Es wird auf den Aufmarsch der türkischen Armee am türkisch-nordirakischen Grenzübergang Habur hingewiesen und die nun schon zehn Tage dauernde Militäroperation im Kreis Silopi (Provinz Sirnak). Bei dieser Operation seien über 100 gepanzerte Fahrzeuge, M-60-Panzer und Abschussrampen für Stinger-Raketen im Einsatz. Am Vortag habe es zudem ein gemeinsames Manöver des türkischen und irakischen Verteidigungsministeriums in diesem Gebiet gegeben. Ein Schwerpunkt des Artikels liegt auf den Äußerungen des türkischen Staatspräsidenten Erdogans zum Referendum im Nordirak.
Wenn wir den Hahn zudrehen
Erdogans Worte, die sich an den kurdischen Nordirak als imaginären Gesprächspartner richten:
„Jetzt hast du es also durchgeführt… Was kam raus? 90-92 Prozent Zustimmung? Und was bringt’s? Wer wird deine Unabhängigkeit akzeptieren? Nordirak, was kannst du mit Israel allein gewinnen? Die haben doch keine Ahnung von Politik. Die haben keine Vorstellung, wie man einen Staat bildet. Die glauben, dass es einer wird, wenn sie bloß sagen: „Wir haben es gemacht, es hat geklappt.“ Es wird eh keiner (= kein Staat) werden, es kann keiner werden.
(…) Wenn wir beginnen, unsere Maßnahmen umzusetzen, werdet ihr eh in der Luft hängen. Wenn wir nur einen Hahn zudrehen (gemeint ist der Erdölexport in die Türkei), ist alles vorbei. Dann sind alle Einnahmen futsch. In dem Moment, wo keine LKWs mehr den Irak aufsuchen, werden sie nichts mehr zu essen und nichts mehr anzuziehen haben. So tief werden sie fallen. Wieso? Wir sind dazu gezwungen (…). Was wird ihnen dann Israel schicken, von wo und auf welchem Weg? Sollen sie es nur schicken.
Das Referendum wird von der Nordirakischen Verwaltung durchgeführt, Israel ist das einzige Land, das sie unterstützt, und wenn die PKK-ler feiern, bevor die Urnen überhaupt aufgestellt sind, dann kann von Unschuld und Legitimität nicht mehr die Rede sein, damit das schon mal klar ist… Um es offen zu sagen: Wir hatten es nicht für möglich gehalten, dass Barsani so einen Fehler begehen würde, das heißt, wir haben uns wohl geirrt. In einer Zeit, in der unsere Beziehungen hervorragend waren, stellte dieser Beschluss, der ohne Beratung und Rücksprache gefasst wurde, einen offenkundigen Verrat an unserem Land dar.
(…) Diejenigen, die glauben, dass unser Land zu sehr mit Syrien beschäftigt ist und sich deshalb nicht noch mit dem Irak befassen kann, sollten nicht vergessen, dass unsere Kraft ausgereicht hat, es selbst in schwersten Zeiten mit sieben Staaten gleichzeitig aufzunehmen (Anspielung auf den Befreiungskampf nach der Niederlage des Osmanischen Reichs). Von den wirtschaftlichen Investitionen bis hin zu den militärischen Optionen liegt alles auf dem Tisch. Der Luftraum, das Festland, alles liegt auf dem Tisch. (…) Ich hoffe, dass die Nordirakische Verwaltung zur Vernunft kommt, bevor wir zu diesen Mitteln greifen müssen, und dass sie auf dieses Abenteuer verzichtet, das in der Finsternis endet.“
Anschließend werden noch HDP-Politiker zitiert, die ihre Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass die Barsani-Regierung endlich den wahren Charakter der AKP erkennen möge.
Bahaullah – Begründer der Glaubensgemeinschaft der Bahai
Ein Blick auf Chomeinis Äußerungen über die Juden und Israel
„Israel will nicht, dass es in diesem Land kluge Menschen gibt. Israel will nicht, dass es in diesem Land einen Koran gibt. Israel will nicht, dass es in diesem Land islamische Geistliche gibt. Israel will nicht, dass in diesem Land die Gebote des Islams gelten. (…) Mein Herr (gemeint ist der Schah), da sind bestimmte Fakten im Spiel, die mir Kopfweh bereiten. Da sind bestimmte Fakten im Spiel.
„Meine Herrschaften, schauen Sie mal im Bahai-Kalender von vor zwei oder drei Jahren nach. Da steht geschrieben: Gleiche Rechte für Mann und Frau, das sagt Abdul-Baha‘ (der Sohn des Gründers der Bahai-Religion). Die Herrschaften leisten ihm Folge. Der Herr Schah tritt ebenfalls, ohne es zu merken, in diese Fußstapfen, und sagt: Gleiche Rechte für Mann und Frau. Mein Herr (AdÜ: an den Schah gerichtet), das haben sie dir eingeimpft, damit sie sagen können, du bist ein Bahai, und damit ich sage: Er ist ein Ungläubiger. Sie wollen dich nur vertreiben. Mach so was nicht, du Pechvogel. Mach das bloß nicht. Auch die allgemeine militärische Ausbildungspflicht für Frauen ist eine Forderung von Abdol-Baha‘.“ (Quelle 19)
Abdolbaha, Sohn von Bahaullah
Der Propagandapparat des Fernsehens ist einer Gruppe einer verhassten Minderheit (gemeint sind die Bahais) untergeordnet, die sich im ganzen Land ausbreiten soll. Dessen Eigentümer, Habib Sabet Pasal (AdÜ: eigentlich Habibollah Sabet) hat nicht nur die Wirtschaft unseres Landes in seinen Händen konzentriert, darüber hinaus ist die Pepsi-Cola-Fabrik auch ein Spionage-Nest. Im Fernsehen ist geplant, am 17. des Monats Dey (10. Monat des iranischen Jahres) eine Sendung über Frauen früher und heute auszustrahlen (also im Jahr 1341/1963 zum Jahrestag der Aufhebung der Verschleierung durch Resa Chan = Resa Schah Pahlawi)… Sie tun gut daran, meine Herrschaften, Ihren zentralen Behörden mitzuteilen, den 17. Dey nicht größer darzustellen als er ist, und die Menschen, deren Nerven ohnehin schon angespannt sind, nicht über das Fernsehen der Bahais weiter aufzuwiegeln. Dieser Propaganda-Apparat der Bahais und die Firma Pepsi-Cola sind Spionage-Einrichtungen der Juden Palästinas (gemeint ist Israel).“ (Quelle 20)
Habibollah Sabet mit Richard Nixon
„Ich habe auf der letzten Sitzung mit Doktor Sadr, dem Innenminister, erklärt: „Wir mischen uns nicht in Ihre Angelegenheiten ein, solange Sie sich nicht in unsere Religion einmischen.“ Aber nein, die können es nicht lassen. Nach und nach geben sie den Bahais in allen Behörden Zutritt und nehmen Kontakt zu den Juden auf. Und morgen heißt es dann, dass der Glaube überhaupt aus dem Gesetz gestrichen werden soll.“ (Quelle 21)
„Ihre Herrschaften sollten bedenken, dass viele heikle Posten in der Hand dieser Sekte (Bahais) sind und dass diese de facto Agenten Israels sind.“ (Quelle 22)
„Dieses Gesetz, das sie aufs ganze Land ausweiten möchten, wurde in der Partei von Herrn (Amir Assadollah) Alam entworfen (1962-1964 Premierminister des Irans). Herr Alam soll wissen, dass das Volk nicht nachgeben wird, bis der Entwurf aufgehoben wird. Und auch wenn das Parlament sich gebildet hat, wird es nicht schweigend dasitzen … Die Regierung soll ihre Pflichten wissen. Sie darf nicht zulassen, dass wir von einer Handvoll Juden, die sich selbst als Bahai ausgeben, zertreten werden. Wir wollen, dass die Aufhebung des Gesetzentwurfs genauso in den Zeitungen abgedruckt wird, wie seine Verabschiedung veröffentlicht wurde.“ (Quelle 23)
„Jetzt strecken sie ihre Hand auch schon nach dem Koran und der Ehre der Muslime aus. Die Provinzen dieses Landes müssen von den Muslimen bewahrt und verwaltet werden. Sie dagegen wollten mit der Verabschiedung von Entwürfen föderaler und regionaler Versammlungen und der Abschaffung der für Wähler und Gewählte gültigen Bedingung der islamischen Religionszugehörigkeit die Geschicke der Muslime in die Hände von Nicht-Muslimen wie der Bahai-Juden übergeben. Wenn die Provinzen dieses Landes in die Hände von Nicht-Muslimen fallen, werden aus den rauhen Kehlen derselben unislamische Laute erklingen. An diesem Tag wird man die großen Gefahren erkennen. Nicht nur, dass der Islam und der Koran nicht mehr beschützt werden, auch alles, was eure Würde und Stellung ausmacht, wird verschwinden. Die Wirtschaft, der Basar, die Reserven des Landes, alles, alles wird verschwinden. Gläubige, wacht endlich auf! Die Fremden sind auf den Gedanken verfallen, den Iran und das Land der Muslime zu beseitigen. Außer dem Koran sehen sie kein Hindernis mehr… Macht das Volk aufmerksam, damit es der Regierung sagt: Wir lassen es nicht zu, dass die Provinzen dieses Landes unter die Gewalt von Juden fallen, die sich als Bahais ausgeben. Seid euch dessen bewusst: Die Gefahr ist groß und die Aufgabe ist wichtig. Der Koran und die islamische Frömmigkeit haben ihre Rechte auf das Volk.“ (Quelle 24)
„Überall, wo man im Iran hinlangt, sieht man, das ist einer dieser Agenten Israels. An den heiklen Punkten, an den gefährlichen Punkten, und – bei Gott! – auch an den für die Krone dieses Herrn gefährlichen Punkten. Die Herrschaften sind sich dessen nicht bewusst. Das sind die Gleichen, die sich in Schemiran verschworen hatten, um Nasreddin Schah zu ermorden und den ganzen Iran in ihre Hände zu bringen. Schauen Sie in die Geschichte. Sie kennen die Geschichte doch. In Niyawaran (AdÜ: einem Ort im Kreis Schemiran) haben sie sich verschworen. In Niyawaran haben mehrere versucht, Nasreddin Schah umzubringen, einige waren auch in Teheran, um dort die Regierung zu übernehmen. Sie betrachten diese Regierung als ihr Eigentum. Sie (die Bahais) haben in ihren Büchern und Artikeln geschrieben, dass die Regierung ihnen gehört. Wir müssen eine neue Herrschaft errichten, eine neue Regierung, eine Regierung der Gerechtigkeit… Herr, hüten Sie sich vor denen. Das sind Ungeheuer, diese Leute.“ (Quelle 25)
Die iranische Geistlichkeit und der Staat Israel
Wie im vorigen Abschnitt beschrieben, wurden die iranischen Geistlichen angesichts der beispiellosen Einwanderungswelle von Juden in das Land Palästina in den 40-er und 50-er Jahren des 20. Jahrhunderts und angesichts der zunehmenden Konflikte zwischen den jüdischen Einwanderern und den arabischen Einwohnern dieses Landes aktiv und machten sich zu Fürsprechern der „palästinensischen muslimischen Brüder“. Als der Staat Israel gegründet wurde, trat Ajatollah Abu l-Qassem Kaschani auf den Plan. Er organisierte Kundgebungen, hielt Reden und Trauerversammlungen, und übernahm die Führung im Kampf um die Rechte der Palästinenser und die Rückeroberung ihrer Heimat. Der Druck der Geistlichkeit und der religiös gesinnten Bevölkerungsschichten war so groß, dass die Regierung des Schahs sich zwei Jahre lang nicht traute, Israel anzuerkennen. Erst im Esfand 1328 (6. März 1950) erkannte die iranische Regierung den Staat Israel de facto an. (Quelle 9)
Der Druck der Geistlichen nahm unter Premierminister Dr. Mossadeq noch zu, und da Ajatollah Abu l-Qassem Kaschani über beträchtlichen Einfluss verfügte, forderte er die Regierung Mossadeq auf, die Anerkennung Israels zurückzunehmen. Er war sich so sicher, das Mossadeq nachgeben würde, dass er in einem Interview mit der in Baghdad erscheinenden Zeitung al-Mesri davon sprach, dass die Annullierung der Anerkennung Israels durch den Iran sicher sei. Baqer Kasemi, der Außenminister des Kabinetts von Mossadeq, trat am 16. Tir 1330 (1951) vor die Abgeordneten des iranischen Parlaments und setzte sie in Kenntnis, dass die Regierung beschlossen habe, das iranische Konsulat in Jerusalem zu schließen. In einer öffentlichen Erklärung, die die Regierung am folgenden Tag verbreiten ließ, wurde als Begründung dafür freilich der Rückgang der Einnahmen infolge des Zusammenbruchs der Erdölexporte und die daraus resultierende Notwendigkeit für die Regierung angegeben, Devisen zu sparen. Die Araber fassten diese Maßnahme allerdings zu Unrecht als Aufhebung der de-facto-Anerkennung Israels auf. (Quelle 9)
Nach dem Putsch vom 28. Mordad 1332 (19. August 1953) wurden die Beziehungen zwischen dem Iran und Israel wieder ausgebaut, die Möglichkeiten der Geistlichen, die öffentliche Meinung aufzuputschen und die Regierung unter Druck zu setzen, nahmen ab. Als im Jahr 1339 (1960) John F. Kennedy in den Präsidentschaftswahlen in den USA siegte, nahm der US-Druck auf Mohammad Resa Schah zu, eine politische Öffnung und Reformen im Iran einzuleiten. So herrschte drei Jahre lang, bis zum Monat Mordad 1342 (Juli/August 1963), eine relativ freie Atmosphäre im Iran. Alte und neue politische Gruppen nahmen ihre Tätigkeit auf, die wichtigsten von ihnen waren die Nationale Front (Dschebheye Melli) und die Freiheitsbewegung (Nehsate Asadi). Auch die Geistlichen betraten nach und nach wieder die politische Bühne. Im Farwardin 1340 (März/April 1962) verstarb Ajatollah Borudscherdi, bis dahin die wichtigste unter den religiösen Autoritäten im Iran. Ruhollah Chomeini gelang es, in der Arena des Kampfes gegen den Schah einen besonderen Platz für sich zu erringen, und so wurde er zu einer einflussreichen Autorität auf der politisch-religiösen Bühne des Landes.
Chomeini wurde zum Bannerträger der Opposition gegen die Reformen des Schahs, gegen die Verleihung des Stimmrechts an die Frauen und gegen das sogenannte Kapitulationsgesetz, das den US-Militärberatern diplomatischen Status einräumte, sie also der iranischen Rechtsprechung entzog. Das Kapitulationsgesetz wurde unter Premierminister Hassan Ali Mansur dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt. Chomeini rief in feurigen Reden die „Gemeinschaft der Muslime“ dazu auf, sich zu erheben. Am 15. Chordad 1342 (1963) schlugen militärische Einheiten eine Kundgebung des Volks nieder, wobei Dutzende von Menschen ums Leben kamen. Ein Jahr später wurde Hassan Ali Mansur von einer Gruppe von Chomeinis Anhängern der neu gegründeten Organisation „Hey’ate Mo’talefe“ (Die Koalition) ermordet. Chomeini, der auch ins Gefängnis gekommen war, wurde freigelassen und in die Türkei und später in den Irak verbannt. Sein Exil dauerte bis zum Sturz des Schah-Regimes.
Einmal abgesehen von der extrem reaktionären Haltung Chomeinis und seiner Gegnerschaft zu allen Symbolen der Zivilisation und der Demokratie, wurde in seinen Reden und Schriften vor allem eins sichtbar: Seine krankhafte Feindschaft gegen Israel und die Hetze gegen Juden. Sein Hass auf Israel und die Juden hatte erheblichen Einfluss auf die öffentliche Meinung des gewöhnlichen Volks im Iran und veränderte dessen Sicht auf Israel.
Chomeini, ein Fundamentalist, der gegen Juden hetzt
Chomeini bezeichnete den Schah als Handlanger Israels und der Juden und stellte diesen Punkt als Hauptgrund für die Wut im Volk und für den Ausbruch der Revolution (erg.: von 1979) dar. Im Jahr 1357 (1978) erklärte er: „Wir hatten von Anfang an eine feste Meinung über die Zionisten. Einer der Gründe unserer Gegnerschaft zum Schah von Persien war seine Beziehung zu Israel. Diese Angelegenheit ist auch der Anlass, warum das Volk sich empört.“ (Quelle 10)
In einem seiner Flugblätter heißt es: „Von dieser Seite (=von mir) wurde wiederholt auf die Gefahr hingewiesen, die von Israel und seinen Lakaien mit dem Schah an der Spitze ausgeht. Ich habe davor gewarnt: Solange die islamische Nation (mellat-e eslam) diese Quelle der Verdorbenheit nicht mit Stumpf und Stil ausrottet, wird sie keinen glücklichen Tag erleben. Und solange der Iran in den Fängen dieser schändlichen Sippschaft festgehalten wird, wird er keine Freiheit sehen. Ich bitte Gott, den Erhabenen, um Beistand für die Muslime und um einen Misserfolg für Israel und seine finsteren Helfershelfer.“ (Quelle 11)
Chomeini, der einer krankhaften und megalomanen Gedankenwelt verhaftet war, war der Überzeugung, dass Israel den Iran kontrolliert und plant, den Iran und den Islam zu vernichten. In seiner bekannten Rede zum Aschura-Trauerfest vom 13. Chordad 1342 (3. Juni 1963) in Qom erklärte er: „Heute wurde mir zugetragen, dass einige Prediger abgeholt und zum Geheimdienst gebracht wurden. Dort hat man ihnen gesagt, dass sie von drei Dinge die Finger lassen sollten: Erstens vom Schah, zweitens von Israel, und drittens von der Behauptung, dass der Glaube in Gefahr sei. Wenn sie die drei Gebote beherzigten, dürften sie sagen, was sie wollten. Nun denn, wenn wir diese drei Bereiche auslassen, worüber sollen wir dann überhaupt sprechen? Denn alles, was uns Kopfschmerzen bereitet, sind doch gerade diese drei. Sie sind für alle unsere Probleme verantwortlich. Israel ist dabei, den Iran aufzulösen. Israel untergräbt die Herrschaft des Schahs. (…) Israel ist der Freund Ihrer Exzellenz, hier geht es um bestimmte Dinge, um bestimmte Fakten… Da wird also gesagt, wir sollten nicht über den Schah und nicht über Israel sprechen. Was für eine Beziehung besteht zwischen dem Schah und Israel? Vielleicht ist der Schah nach Meinung des Geheimdienstes ein Jude. Eben jener, der sich auf den Islam beruft und behauptet: Ich bin ein Moslem. Äußerlich ist er auch ein Moslem, aber vielleicht steckt ein Geheimnis dahinter.“ (Quelle 12)
Auch die Weiße Revolution betrachtete Chomeini als Werk Israels und des Zionismus, und er sprach sich gegen sie aus. „Gegen was an der Zivilisation richtet sich unsere Gegnerschaft? Gegen ihre Verdorbenheit. Wir sagen, dass Eure Reformprogramme von Israel für Euch erstellt werden. Wenn Sie ein Programm durchführen wollen, ist das Erste, was Sie tun, bei Israel vorstellig zu werden. Sie holen auch Militärfachleute aus Israel in dieses Land.“ (Quelle 13)
An den Schah gerichtet stellt Chomeini die Frage: „Mein Herr, sind Sie etwa Jude? Ist unser Land etwa ein jüdisches Land?“ (Quelle 14)
In einem Schreiben an die Geistlichen verkündete er, dass das ganze Land unter den Füßen der Juden zermalmt werde: „Israel hat in allen politischen und militärischen Angelegenheiten des Irans die Finger drin, und der Iran ist zu einer Militärbastion Israels geworden. Das Land wird unter jüdischen Militärstiefeln niedergetrampelt.“ (Quelle 15)
Für Chomeini waren die Bahai und Juden das gleiche. Er behauptete, dass sämtliche Pfeiler der Macht auf der ganzen Welt in der Hand der Juden seien. Und so seien auch im Iran die Agenten Israels mit Hilfe ihrer „Söldner“, mit den Bahais an der Spitze, darauf aus, die Gemeinschaft der Muslime zu zerstören. Er bezeichnete die Bahais als Juden und sagte in seiner berühmten Ansprache in Qom: „Wehe dem Land! Wehe den Herrschenden! Wehe dieser Welt! Wehe den schweigenden Geistlichen! Wehe dem schweigenden Nadschaf! Auch Qom schweigt. Auch Teheran schweigt. Auch Maschhad schweigt. Dieses tödliche Schweigen führt dazu, dass dieses unser Land und diese unsere Ehre und Sitten mithilfe eben dieser Bahais unter den Militärstiefeln Israels zertreten werden. (…) Wenn alle Gelehrten des Islams ein bestimmtes Thema ansprechen würden, dass nämlich jetzt der Islam in Gefahr ist, und diese Gefahr der Jude ist und die Glaubenspartei der Juden, nämlich die Partei der Bahais. Diese Gefahr ist jetzt ganz nahe gerückt. Wenn doch die Herrschaften, die Geistlichen, die Prediger und die Theologie-Studenten mit einer Stimme sprechen würden: Mein Herr, wir wollen nicht, dass der Jude die Geschicke unseres Landes bestimmt.“ (Quelle 16)
(AdÜ: Nadschaf im Irak und Maschhad im Iran sind schiitische Wallfahrtsorte, Qom ist das Zentrum der schiitischen Theologen, und Teheran wird als Hauptstadt des Irans erwähnt.)
In seiner Antwort auf eine Frage der Händler von Qom sagte Chomeini 1341 (1962): „Die Unabhängigkeit unseres Landes und seiner Wirtschaft werden von den Zionisten in Beschlag genommen, die im Iran als Glaubenspartei der Bahais auftreten. Und es wird nicht mehr lange dauern, bis sie angesichts des tödlichen Schweigens der Muslime die gesamte Wirtschaft dieses Landes über ihre Agenten in ihre Gewalt bringen.“ (Quelle 17)
Chomeini verglich Israel mit einem Krebsgeschwür, das sich ausbreitet und dabei ist, das Leben der Muslime auf der ganzen Welt auszulöschen. So erklärte er selbst gegenüben den Führern der Islamischen Konferenz: „Die Oberhäupter der islamischen Staaten sollten bedenken, dass diese Quelle der Verdorbenheit, die ins Herz der islamischen Staaten gepflanzt wurde, nicht nur der Unterdrückung der arabischen Nation dient. Vielmehr ist der gesamte Nahe Osten mit dieser Gefahr und dem resultierenden Schaden konfrontiert. Der Plan ist es, die Welt des Islams unter die Herrschaft und Kontrolle des Zionismus zu bringen und das gesegnete Land und die ergiebigen Rohstoffquellen der islamischen Staaten besser auszubeuten. Nur Opferbereitschaft, Beharrlichkeit und ein Bündnis der islamischen Staaten kann uns vor dem Bösen dieses finsteren Alptraums der Ausbeutung retten.“ (Quelle 18)
8- Howard Sachar, A History of the Jews in the Modern World (Knopf, NY. 2005) p.722
Die folgenden Zitate stammen aus Sahife-ye Nur, in dem die gesammelten Texte von Ajatollah Ruhollah Chomeini veröffentlicht sind.
Es ist jeweils der Band und die Seitenzahl auf Persisch angegeben.
Die Bände sind im Internet abrufbar unter http://safarbank.persiangig.com/other/sahife%20noor/
nach Bänden geordnet, allerdings ohne Seitenzahl.
10- صحیفه نور جلد 5 ص 134
11-صحیفه نور جلد ۱ صفحه 207
12-صحیفه نور جلد ۱ ص ۵۶ ۱۳ خرداد
-13- صحیفه نور جلد ۱ ص ۷۷ ۲۵ ارديبهشت ۴۳
-14- صحيفه نور ج ۱ ص ۱۲ ۱۰ فروردين ۴۱
-15 – صحيفه نور ج ۱ ص ۱۵۷ ۱۹ بهن ۴۹ و همان ص ۴۶ ۱۲ ارديبهشت ۴۲
Quelle: http://www.iranianlobby.com/page1.php?id=114
Der erste Staat, der Israel in der verbindlichsten Form, nämlich de iure, als legitimen Staat offiziell anerkannte, war die Sowjetunion. Und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die USA die Entstehung Israels nur „de facto“ anerkannte. Auch England gab am 18. Mai 1948 nur eine Erklärung ab, in der es eine Anerkennung des neuen Staates vermied. Am 8. des Folgemonats akzeptierte es dann die Existenz Israels de facto. (Quelle 3)
In den USA gab es eine tiefgreifende Meinungsverschiedenheit über die Anerkennung Israels. US-Präsident Harry Truman hatte abweichend von der Auffassung derer, die für die Außenpolitik des Landes verantwortlich waren, beschlossen, die Gründung Israels zu unterstützen. Nur wenige Minuten nach Bekanntwerden von Trumans Erklärung reichte die Mehrheit der Vertreter der USA in den Vereinten Nationen aus Protest gegen die Anerkennung Israels ihren Rücktritt ein. (Quelle 4)
Die Unterstützung der Sowjetunion für Israel reicht in die Zeit vor der Gründung dieses Staates zurück. So brachte Andrej Gromyko, der Vertreter der Sowjetunion in den Vereinten Nationen, im Verlauf einer in diesem Gremium im Jahre 1947 geführten Debatte über die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat die volle Unterstützung seines Landes für die Gründung Israels auf folgende Art zum Ausdruck: (Quelle 5)
„Im letzten Weltkrieg hatten die Juden ein sehr schweres und leidvolles Los zu tragen. (…) Angesichts der eigenen Charta der Menschenrechte dürfen die Vereinten Nationen nicht gleichgültig bleiben. Und angesichts der Tatsache, dass die westeuropäischen Staaten während des Krieges nicht imstande waren, die elementarsten Rechte der Juden zu wahren, sie nicht vor der Grausamkeit und den Verbrechen der Nazi-Henker schützen konnten, ist der Wunsch dieses Volkes, einen unabhängigen Staat zu gründen, verständlich. Diesen Wunsch des jüdischen Volks zu ignorieren und ihm dieses Recht zu verwehren, ist eine Form der Unterdrückung.“
Die Unterstützung der Sowjetunion für Israel ging noch darüber hinaus. Die Tschechoslowakei, einer der sowjetischen Satellitenstaaten, war der wichtigste Lieferant von Waffen und Kriegsausrüstung für Israel während des ersten arabisch-israelischen Kriegs im Jahr 1948. Man darf nicht vergessen, dass Stalin 1944 den Zionismus und die Gründung eine jüdischen Staates befürwortete. Er war überzeugt, dass dieser neue Staat mit seinen sozialistischen Tendenzen zum Niedergang des britischen Weltreichs und seines Einflusses in den arabischen Staaten beitragen würde.
Die positive Sicht der Sowjetunion auf Israel änderte sich jedoch mit Beginn des Kalten Krieges und der Annäherung Israels an die USA. In einem ersten Schritt erklärte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion den Zionismus zu einem ideologischen Feind des Sozialismus und des Kommunismus. So hielt nach und nach die anti-jüdische Politik, die unter dem Zaren ihren Höhepunkt erreicht hatte, wieder in Russland Einzug. Die Diskriminierung und Schikanierung der Juden wurde zur offiziellen Politik der Sowjetunion. Je mehr sich die Konfrontation zwischen der Sowjetunion und den USA verschärfte, desto enger wurde die Freundschaft zwischen den USA und Israel. Zugleich nahm auch die staatliche Propaganda des Ostblocks gegen de Zionismus zu, der angeblich den Weltfrieden und die globale Sicherheit gefährde. Von nun an wurde der Zionismus als Instrument zur Verbreitung eines rassistischen Imperialismus im Dienste der Juden und der Amerikaner dargestellt. (Quelle 7)
So konzentrierte sich die amtliche Propaganda der Ostblockstaaten auf die „zionistische Weltverschwörung“, und wie der renommierte Historiker Howard Sachar erkärt (Quelle 8 ): „erreichte diese Propaganda nach dem Sechs-Tage-Krieg zwischen den Arabern und Israel im Jahr 1967 und der schweren Niederlage der Araber (und ihrer sowjetischen Verbündeten) einen Höhepunkt. Die amtlichen sowjetischen Zeitungen füllten sich mit anti-jüdischen und rassistischen Artikeln und Karikaturen, und die ganze judenfeindliche Propaganda, die Nazi-Deutschland ins Werk gesetzt hatte, wurde in diesem sozialistischen Land auf noch abstoßendere Art wieder aufgewärmt. Die „Protokolle der Ältesten von Zion“, eine Fälschung, die zur Zarenzeit fabriziert wurde, wurden nun in großem Umfang abgedruckt und verbreitet. Dieses Dokument soll belegen, dass Ende des 19. Jahrhunderts die Führer des Internationalen Zionismus einen Plan zur Weltbeherrschung entworfen hätten.
Diese Propagandaschlacht hatte starken Einfluss auf die öffentliche Meinung in den arabischen und islamischen Staaten, die nach der Niederlage gegen Israel auf der Suche nach Gründen und Ausreden waren. Von da an wurde der Konflikt zwischen Israel und den Arabern als Kampf zwischen dem sozialistischen Lager einerseits und dem Weltzionismus und dem amerikanischen Imperialismus andererseits präsentiert.
Palästina, das revolutionäre Kuba des Nahen Ostens
Die 60-er und 70-er Jahre waren der Höhepunkt des Kalten Krieges und verzeichneten zugleich ein nie dagewesenes Wachstum revolutionärer Bewegungen in den Ländern der Dritten Welt. In Südamerika entstanden nach der Revolution in Kuba und dank der besonderen Rolle, die Ernesto Che Guevara spielte, in vielen Staaten marxistische Bewegungen und Guerrilla-Gruppen. Als Antwort hierauf griffen die USA und ihre lokalen Verbündeten zu Militärputschen und umfangreichen Unterdrückungsmaßnahmen. Die wichtigsten Beispiele hierfür sind Brasilien, Argentinien und Chile. Das revolutionäre Kuba und der charismatische Che Guevara wurden zum Symbol des Kampfes gegen die imperialistische Aggression und die Militärdiktaturen. So wurde Kuba zum Wallfahrtsort der Revolutionäre Südamerikas. Diese Veränderungen dienten zahlreichen revolutionären Gruppen in verschiedenen Weltregionen ihrerseits als Inspirationsquelle.
Was den Nahen Osten und die islamischen Staaten anging, spielte Palästina für sie eine vergleichbare Rolle und wurde zu einem Magnet für revolutionäre und anti-amerikanische Strömungen. In dieser Zeit hatten die islamischen Bewegungen noch keine Macht und keinen Einfluss. Die Hegemonie lag bei den revolutionären Gruppen marxistischer Prägung. Von radikalen Gruppen in Deutschland bis hin zu japanischen Extremisten und arabischen Freiwilligen – alle strömten nach Libanon und Jordanien – Seite an Seite mit der 1964 frisch gegründeten Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, um Israel und dem US-Imperialismus eine Niederlage zuzufügen. Es versteht sich, dass die Palästina-Frage und die Existenz Israels unter diesen Umständen über einen Konflikt zwischen zwei Völkern um Land hinausging und supranationale Dimensionen annahm.
So kam es, dass in unserem Land, im Iran, nach der Schließung des politischen Freiraums und der Repression des Jahres 1342 (1963) revolutionäre Gruppen in Erscheinung traten, die neben dem Kampf gegen das Schahregime auch Sympathien für den Kampf des palästinensischen Volkes empfanden. Ein deutliches Beispiel hierfür war die „Palästina-Gruppe“, die von Schokrollah Pakneschad und seinen Freunden gegründet worden war. Die wichtigsten Mitglieder dieser Gruppe wurden 1348 (1969) bei ihrer Reise in den Irak, von wo sie weiter nach Libanon aufbrechen wollten, verhaftet und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Der geachtete und kämpferische Pakneschad wurde 1360 (1981) unter Chomeini erneut verhaftet und nach brutalsten Folterungen hingerichtet.
Schokrollah Pakneschad, unter Chomeini im Ewin-Gefängnis erschossen. Worte von Schokrollah Pakneschad aus einer Verteidigungsrede vor Gericht:
„Solange es auf der Welt noch einen Menschen gibt, der gefangen, hungrig, unterdrückt oder rechtlos und kulturlos gehalten wird, solange ist Freiheit nur ein hohles, nichts-sagendes Wort.“
«تا زمانی که در روی زمین یک انسان زندانی، گرسنه، ستمکش، محروم و بی فرهنگ موجود باشد، آزادی یک کلمه پوچ و توخالی بیش نیست…»
Quelle: https://fa.wikipedia.org/wiki/%D8%B4%DA%A9%D8%B1%D8%A7%D9%84%D9%84%D9%87_%D9%BE%D8%A7%DA%A9%E2%80%8C%D9%86%DA%98%D8%A7%D8%AF
Damals nahmen Jordanien, Syrien, Libanon und Irak Kämpfer aus den verschiedenen Ländern auf, die als Gäste der PLO gemeinsam mit den Palästinensern kämpfen und militärische Techniken und den Guerrilla-Kampf erlernen wollten. So kam es, dass viele wichtige iranische Intellektuelle den Kampf des palästinensischen Volkes als Teil des Kampfes gegen den Imperialismus und gegen ihre eigene Diktatur im Iran auffassten. Und so empfanden sie die Unterdrückung und Gewalt Israels gegen die Palästinenser viel direkter und schmerzhafter. Dadurch nahm die Unterdrückung, die von Israel ausging, eine herausragende Stellung ein. Entsprechend düster wurde das Bild dieses Landes unter den iranischen Intellektuellen, was seinerseits wiederum starken Einfluss auch die öffentliche Meinung der Iraner gegenüber Israel hatte.
Die iranischen Machthaber schrecken auch vor Morden im Ausland nicht zurück, wie die Ermordung des Kurdenführers Qassemlou am 13.7.1989 in Wien oder die seines Nachfolgers Scharafkandi am 17.9.1992 in Berlin beweist. Der oberste Auftraggeber von damals, Ajatalloh Chamene‘i, ist noch immer der Religiöse Führer des Landes.
Die iranische Webseite iran-emrooz.net berichtet unter Berufung auf die Deutsche Welle folgendes:
Am 27. März 2017 erging in Berlin ein Gerichtsurteil gegen einen 31-jährigen pakistanischen Staatsangehörigen namens Mustafa Haydar Syed (die persische Webseite schreibt „Mustafa Haydar S.“, deutsche Medien schreiben „Haydar Syed M.“, französische Quellen nennen den vollständigen Namen…). Er soll Ziele für künftige Mordanschläge in Berlin und Paris ausgekundschaftet und die Informationen an die Spezialeinheit „Qods“ (Jerusalem) der iranischen Revolutionswächter geleitet haben. Dafür habe er ein monatliches Gehalt von 2052 Euro erhalten. Deutsche Quellen (z.B. Quelle 2) sprechen dagegen von einem Agentenlohn von insgesamt 2052 Euro, zumindest ist das die nachweisbare Summe.
Französisch-israelischer Professor in Paris auf dem Korn
Vom Juli bis August 2015 soll Mustafa Haydar Syed in Paris die täglichen Wege des französisch-israelischen Professors David Rouach ausgekundschaftet haben, der an der „Universität von Paris“ Wirtschaftswissenschaften unterrichtet. Andere Quellen z.B. die französische Wikipedia (Quelle 3) geben seinen Namen mit Daniel Rouach an, der an der Ecole Supérieure de Commerce ESCP Europe (Quelle 4) in Paris unterrichtet. Mustafa Haydar Syed soll über 300 Photos und über 20 Videos über den Professor, den Campus und die Wege des Professors aufgenommen und seine Auftraggeber mit einer (?) Powerpoint-Präsentation über seine Ergebnisse informiert haben. Er informierte sie, wo Kameras (auf dem Campus) installiert sind, über die Anzahl der Wächter (an der Uni), über die Lage der Polizeiwache und über die Sicherheitsmaßnahmen auf der Strecke, die der Professor zurücklegt.
Und Reinhold Robbe, der damalige Vorsitzende der deutsch-israelischen Vereinigung in Berlin
Mustafa Haydar Syed spionierte auch die täglichen Gewohnheiten des deutschen Politikers Reinhold Robbe aus, des ehemaligen Vorsitzenden der deutsch-israelischen Vereinigung, sowie dessen Freunde und Angehörige. Reinhold Robbe ist Mitglied der SPD und war früher „Verantwortlicher des deutschen Parlaments für Armeefragen“. Bei dieser Bezeichnung wird wohl kaum ein iranischer Leser darauf kommen, was der „Wehrbeauftragte des Bundestags“ eigentlich macht.
Laut Aussagen eines Beamten des deutschen Verfassungsschutzes vor Gericht soll die Ausspähung dazu gedient haben, den Iran im Fall eines künftigen Kriegs gegen den Westen mit Infos über mögliche Anschlagziele zu versorgen.
Mustafa Haydar Syed wurde zu 4 Jahren und 3 Monaten Gefängnis verurteilt. Er verweigerte jede Aussage, obwohl das Gericht ihm bei einem vollen Geständnis eine Strafminderung von 15 Monaten in Aussicht stellte – rbb-online.de (Quelle 5) schreibt dagegen, dass das Gericht im Fall eines Geständnisses eine Strafe von höchstens 3 Jahren und 6 Monaten in Aussicht stellte. Laut Angaben seines Verteidigers soll der Angeklagte aus Angst vor den Auftraggebern geschwiegen haben.
Wahrheitsliebe nach Trumps Geschmack
Einmal abgesehen davon, dass die persische Darstellung in einzelnen Punkten sehr ungenau ist, übergeht sie eine doch recht wesentliche Tatsache. So schreibt die Berliner Zeitung am 20.03.2017 (Quelle 2): „Reinhold Robbe, 62, sitzt an diesem Montagmorgen vor dem Bildschirm im Kammergericht. Er nickt, oder er schüttelt den Kopf. Und sagt zu fast jedem Bild etwas. Nein, er habe gar keine Frau, sagt er. Robbe lebt mit seinem Partner zusammen, der auch in der Präsentation zu sehen ist. Allerdings als „guter Freund“. Die beiden angeblichen Söhne Johann und Holger gebe es auch nicht, sagt der SPD-Politiker.“ Das lässt den Eindruck aufkommen, dass dieser ehemalige Student der Ingenieurswissenschaften (Computerbereich) Mustafa Haydar Syed ein ziemlich durchtriebener Genosse ist, der seine Berichte auch mit „alternativen Fakten“ schmückte, wie Herr Trump das nennen würde. Hauptsache, er bekommt Geld dafür. Statt ihn zu verhaften, hätten die deutschen Dienste ihn ja noch mit weiteren alternativen Fakten versorgen können, das wäre langfristig sicherlich nützlicher als ihn ins Gefängnis zu stecken.
Denn sein zweites Ausspähungsopfer, Prof. Daniel Rouach, findet eine Strafe von etwas über 4 Jahren Gefängnis für eine Mordplanung reichlich dürftig (Quelle 6). Mit dem, was im Nahen Osten als Strafen üblich ist, kann die deutsche Rechtsprechung nicht konkurrieren. Und das ist gut so.
Interessant ist, dass die deutschen Zeitungsberichte nicht darauf eingehen, dass Mustafa Haydar Syed beim Raumfahrtzentrum in Bremen arbeitete (ehemals EADS Astrium, jetzt Astrium Bremen). (Quelle 7)
Quelle 3: https://fr.wikipedia.org/wiki/Daniel_Rouach
Daniel Rouach, né à Meknès (Maroc)1, de nationalité franco-israélienne2, est un professeur universitaire et auteur de livres économiques, notamment sur la veille technologique.
Il est professeur à ESCP Europe (Département Stratégie, Hommes et Organisation du campus de Paris), codirecteur scientifique du Mastère Spécialisé Innover Entreprendre ESCP Europe3, enseignant à l’université de Tel Aviv4 Président de la Chambre de Commerce & d’Industrie Israel-France (CCIIF Tel-Aviv) (…) (abgerufen 28.03.2017)
Quelle 4: http://www.escpeurope.eu/fr/escp-europe/histoire-de-escp-europe-business-school/
Ecole Supérieure de Commerce
Im folgenden wird der erste Teil eines Aufsatzes über die Entstehung der Israelfeindlichkeit im Iran vorgestellt. Der Text wurde aus dem Persischen übersetzt, Auslassungen sind mit (…) gekennzeichnet.
Quelle: http://www.iranianlobby.com/page1.php?id=114
Von Israel zum Todesengel Esra’il – Die Geschichte einer Verwandlung
Im Herbst 1341 (1962) reisten Dschalal (Jalal) Al-e Ahmad und seine Frau Simin Daneschwar, zwei berühmte iranische Schriftsteller, die zu den geachteten Intellektuellen ihrer Zeit gehörten, zu einem Besuch nach Israel, wo sie zwei Wochen als Gäste des israelischen Staates blieben. Auch Dariusch Aschuri und der verstorbene Chalil Malaki gehörten zu jenen Intellektuellen, die nach Israel reisten und ein positives Urteil über dieses Land fällten. Al-e Ahmad hielt nach seiner Rückkehr von dieser Reise einen Vortrag im Institut für sozialwissenschaftliche Studien und Forschung, in dem er über die Kibbuze in Israel (eine kollektive Form der Landwirtschaft) Bericht erstattete. Später verfasste er einen bekannt gewordenen Artikel unter dem Titel „Welayat-e Esra’il“ (Der Gottesstaat Israel), in dem er auf die Geschichte der Unterdrückung der Juden in Europa hinwies, und die Unterdrückung und Verfolgung dieses Volks als Hauptgrund für die Gründung des Staates Israel bezeichnete. Der sehr positive Blick von Al-e Ahmad auf Israel führte zu Protesten der traditionellen iranischen Geistlichkeit, so seitens Seyyed Ali Chamene’i, der damals noch in seinen Anfangsjahren stand.
(Fußnote 1)
(AdÜ: Ali Chamene’i ist heute Ajatollah und der Religiöse Führer des Landes)
Aber das Urteil von Al-e Ahmad über Israel wandelte sich nach und nach, bis er 1967, nach der schweren Niederlage der Araber im Sechs-Tage-Krieg gegen Israel einen Artikel unter dem Titel „Der Beginn einer Feindschaft“ schrieb, in dem er seine ganze Feindseligkeit und seinen Wut auf Israel zu Papier brachte. Dieser Artikel wurde später in einem Buch mit dem Titel „Reise in das Land des Todesengels“ (Safar be welayate °ezra’il) abgedruckt. Al-e Ahmad schreibt darin – neben einer Attacke auf westliche und östliche Intellektuelle, dass Israel ein Zögling und Ableger des Kolonialismus und des internationalen Zionismus sei, und einen neuen Kreuzzug gegen den Islam eröffnet habe.
„Während die Europäer in den vergangenen Kreuzzügen eine Niederlage erlitten und zum Ausgleich die Wissenschaft und die Technologie der islamischen Welt als Beute mitnahmen, sind sie diesmal mit Hilfe eben dieser Wissenschaft und dieser Technologie und mit Unterstützung eines weiteren großen Helfers, des internationalen Kolonialismus, sowie eines kleinen Handlangers, nämlich des Zionismus, erneut zum Krieg ausgezogen… Angesichts der Tatsache, dass der Nationalsozialismus, die Krönung des westlichen Bürgertums, sechs Millionen vom Schicksal geschlagene Juden in jene Öfen steckte, in denen die Menschen verbrannt wurden, sind heute zwei bis drei Millionen Araber aus Palästina, dem Gasa-Streifen und dem Westjordanland zur Wahrung der Interessen der Kapitalisten der Wall Street und der Rothschild-Bank dazu verdammt, sich umbringen zu lassen oder ihr Heil in der Flucht zu suchen. Und da die werte europäische Intelligenz als Mittäter an den Verbrechen Hitlers mitgewirkt bzw. den Mund nicht aufgekriegt hat, hat sie jetzt den Juden im Nahen Osten einen Brückenkopf geschaffen, damit die Völker Ägyptens, Syriens, Algeriens und des Iraks eins übergezogen bekommen und gar nicht mehr auf die Idee kommen, gegen den westlichen Kolonialismus zu kämpfen, und den Suez-Kanal nicht mehr für die „zivilisierten Nationen“ sperren! Pfui, was für eine stinkende bourgeoise Kultur!“
Der offene Hass von Al-e Ahmad auf Israel ist unter den Intellektuellen und auch unter dem normalen Volk unseres Landes kein auf eine Einzelperson beschränktes Beispiel, Vergleichbares lässt sich in allen gesellschaftlichen Schichten des Irans finden. Für diesen Teil der Iraner ist das, was sich zwischen Palästina und Israel abspielt, mehr als nur ein Krieg zwischen Volksgruppen um Land und Wasser, mehr als nur die Besetzung von Land, das anderen gehört, etwas, was sich an irgendeinem Punkt der Welt ereignet hat. Für sie ist der Schmerz und das Leid der Palästinenser nicht vergleichbar mit dem, was andere Volksgruppen und Nationen dieser Welt in irgendeinem Winkel Asiens oder Afrikas an Leiden und Schutzlosigkeit erfahren. Das Unglück, das Palästina ereilt hat und die geballte Gewalt Israels sind für diesen Teil der Iraner eine persönliche Angelegenheit, eine Sache der Überzeugung und Gefühle und mitunter sogar wichtiger als die eigene nationale Sache. Was für Gründe gibt es dafür, dass die Iraner in so einem Ausmaß an der Palästinafrage Anteil nehmen und mit den Palästinensern mitfühlen und mitleiden?
Einmal abgesehen von dem Unrecht, das den Palästinensern widerfahren ist, spielen im negativen Urteil der Iraner bezüglich Israels zwei Faktoren eine wesentliche Rolle. Der erste war der Kalte Krieg zwischen der Sowjetunion und der USA, der den Konflikt zwischen Israel und den Arabern zu einem der Hauptschauplätze des Kampfes zwischen diesen beiden Großmächten um die Hegemonie in der Region werden ließ. Dementsprechend änderte die traditionelle iranische Linke und ein wichtiger Teil der Intellektuellen ihre Sicht auf das Palästina-Problem und deutete ihn nicht mehr als Konflikt zwischen Volksgruppen oder Nationen, sondern als internationale Auseinandersetzung zwischen dem sozialistischen und dem imperialistischen Lager und verlieh ihm so eine ideologische Dimension. (AdÜ: auch Nationalismus ist eine Ideologie…)
Als zweiter Faktor ist das Wachsen islamischer Strömungen im Iran zu sehen, die insbesondere nach dem Tod von Ajatollah Borudscherdi und dem Aufstieg von Ruhollah Chomeini zu einer einflussreichen religiösen Autorität an Intensität und Stärke zunahmen. In dieser Denkschule wird der Konflikt zwischen Israel und Palästina als Krieg zwischen Islam und Ungläubigkeit ausgelegt, das Unrecht, das den Palästinensern widerfährt, steht somit auf einer Ebene mit dem Bösen, das der Teufel bewirkt. Die Opfer sind nicht nur die Palästinenser, vielmehr hat jeder einzelne Moslem dieser Welt an diesem Leid und Kummer Anteil und trägt eine Mitverantwortung.
Die Verwandlung von Al-e Ahmad ist eher dem zweiten Faktor, also der der „Islamisierung“ des Palästina-Problems zuzuschreiben. Denn ebenso, wie sich seine Sicht auf Israel änderte, geriet er auch selbst immer mehr ins religiöse Fahrwasser, bis er schließlich ein ergebener Anhänger von Ruhollah Chomeini wurde. Leider ging dieser große und mitfühlende Schriftsteller so weit, dass er 1343 (1964), auf einer Reise nach Mekka, einen servilen Brief an Chomeini schrieb, in dem er neben seinen Glückwünschen zu seiner Freilassung aus dem Gefängnis mehrfach seine Treue und Ergebenheit gegenüber diesem stockkonservativen Ajatollah zum Ausdruck brachte. (Fußnote 2)
Auszug aus dem Brief
(…)
(Es folgen wörtliche Zitate aus dem Brief, dessen serviler Stil aus der Wortwahl hervorgeht. Eine Übersetzung würde genau das Wichtigste, den Stil, verfälschen, da er nur gegen den Hintergrund des im Iran Möglichen und Wirklichen seine Wirkung entfaltet. Wir übergehen ihn daher).
Bevor wir uns mit dem Anwachsen des Islamismus, dem Aufstieg Chomeinis und ihrem zunehmenden Einfluss auf die anti-israelische Sichtweise befassen, wollen wir uns den anderen Faktor näher anschauen, der die Sichtweise vieler iranischer Intellektueller auf Israel änderte – die Rede ist hier vom Kalten Krieg.
Gharbsadegi – Vom Westen befallen
Dies ist die Diagnose einer Krankheit, an der nach Auffassung der herrschenden iranischen Geistlichkeit alle leiden, die gegen die islamischen Sitten – nach ihrem Verständnis – verstoßen. Das tun sie, wenn Männer und Frauen gemeinsam unterwegs sind, ohne verheiratet zu sein, gar gemeinsam tanzen, das tun sie, wenn Männer und Frauen gemeinsam Musik spielen oder singen oder auch nur im Fußballstadion der iranischen Mannschaft zujubeln, und das tun vor allem die Frauen, wenn sie sich „unislamisch“ kleiden, also nicht als schwarzer Sack verhüllt durch die Gegend laufen wollen.
Die Behandlung dieser „Krankheit“ erfolgt mit Methoden, die wenig mit der Medizin von Avicenna (Ibn Sina) und sehr viel mit dem europäischen Mittelalter zu tun haben, also gerade jener Region, von der man sich doch distanzieren möchte. Sie besteht im schlagfertigen Einsatz von Polizeiknüppeln, im Übergießen mit Säure, im Einsperren und Foltern.
Die Westkrankheit – eine Antwort auf den Kolonialismus Wenigen ist heute bewusst, dass der Vorwurf der Verwestlichung „Gharbsadegi“ ursprünglich eine anti-kolonialistische Zielrichtung hatte und als Vorwurf gegen das Schahregime eingesetzt wurde. Einer der bekanntesten Schriftsteller des Irans der Zeit vor der Revolution von 1979 war Dschalal Al-e Ahmad, der mit seinem Buch „Gharbsadegi“ diesen Vorwurf in ein breites Publikum getragen hat. Seine Gedanken fanden auch Anklang bei Ajatollah Chomeini und Ajatollah Chamene’i, und wie diese sie verarbeiteten, sehen wir ja an obigen Beispielen. Nicht so bekannt ist, dass Jalal (sprich: Dschalal) Al-e Ahmad auch ein begeisterter Anhänger des damals noch jungen Staates Israel war. Denn unter den Ajatollahs ist Israel zum zweiten Teufel aufgestiegen, gleich neben den USA als „großem Teufel“. „Marg bar Esra’il“ (Tod über Israel) war nicht nur eine Parole, mit denen iranische Hisbollahis auf den Straßen demonstrierten, selbst Staatspräsident Mahmud Ahmadineschad, der Vorgänger von Hassan Rouhani, erklärte noch öffentlich, Israel müsse vom Erdboden verschwinden. Wie es kommt, dass der theoretische Begründer einer der wesentlichen Merkmale der Islamischen Republik Iran, nämlich des Kampfes gegen die „Verwestlichung“, sich so positiv zu Israel äußert, erklärt im Folgenden Samuel Thrope in einem Artikel aus der israelischen Zeitung Ha-Aretz (Das Land) vom 19.02.2017, den wir für unsere Leserschaft ins Deutsche übersetzt haben.
כיצד יישב אינטלקטואל איראני את סלידתו מהמערב עם הערצתו לישראל Wie passt die Abneigung eines iranischen Intellektuellen gegen den Westen mit seiner Bewunderung für Israel zusammen?
Das junge, sozialistische Israel war auch im vorrevolutionären Iran „das Licht der Völker“. Der Besuch von Jalal Al-e Ahmad im Land enthüllt regionale Verbindungen, die heute unvorstellbar erscheinen.
Ha-Aretz 19.02.2017
Workshop für Sozialgeschichte
Shmuel Trop / Samuel Thrope
In den 60-er Jahren war Jalal Al-e Ahmad der bekannteste Schriftsteller und Intellektuelle im Iran. Al-e Ahmad fand Bewunderung dank des unabhängigen und scharfen Blicks, den er schon in seinen ersten Erzählungen in den 40-ern und 50-ern bewiesen hatte. Aber es war die Veröffentlichung seines Buchs „Gharbzadegi“ – das mit „Verwestlichung“ oder „West-Erkrankung“ übersetzt werden kann und im Jahr 1962 erschien, mit dem Al-e Ahmad den Höhepunkt seiner Bekanntheit und seines Einflusses erreichte. Das Buch attackierte scharf die Herrschaft von Mohammad Resa Schah Pahlawi, der den Iran von 1941-1979 regierte und Verbündeter der USA und auch Israels im Kalten Krieg war, sowie die verwestlichte Kultur des Irans in jenen Jahren.
„Gharbzadegi“ ist eine eindeutig anti-koloniale Schrift, die auf der klaren Trennung zwischen dem satten, dominanten und reichen Westen sowie dem hungrigen, armen und kranken Osten beruht. Al-e Ahmad ruft die Iraner ebenso wie die anderen Orientalen auf, aufzuhören, den Westen zu imitieren, und zu ihren kulturellen und religiösen Wurzeln zurückzukehren. Eine ganze Generation junger Iraner führte wenige Jahre später die Revolution von 1979 an. Gharbzadegi – die Verwestlichung – war ein Meilenstein der Politik und der Erkenntnis. Im Licht dieser Haltung, trafen überraschend schon 1963, nur ein Jahr nach der Veröffentlichung von Gharbzadegi, Al-e Ahmad und seine Frau, die Schriftstellerin Simin Daneschwar, auf Einladung der Israelischen Botschaft in Teheran zu einem zweiwöchigen Besuch in Israel (w. im Land) ein. Wie andere Intellektuelle, die Israel in jenen Jahren besuchten, so etwa Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir, beschreibt Al-e Ahmad das junge Israel in dem Buch, das er über seinen Besuch schrieb, ganz unerwartet, ja sogar mutig. Eine Beschreibung, die sich zugleich auch mit der politischen und sozialen Lage im Iran befasst.
Die bekanntesten iranischen Intellektuellen: Jalal Al-e Ahmad und Simin Daneschwar in den 60-er Jahren
Nur wenige würden Israel heute zu den östlichen, anti-imperialistischen Kräften der Welt zählen. Aber Al-e Ahmad sah im Staat der Juden einen Teil des Ostens, „dessen eines Ende in Tel Aviv und dessen anderes in Tokyo“ liegt, so seine Worte. Sein Reisebericht, der den Besuch dokumentiert, wurde erst nach der Revolution und 15 Jahre nach dem Tod des Verfassers unter dem Titel „Reise in das Land des Todesengels“ veröffentlicht (welcher mit großer Wahrscheinlichkeit nicht von Al-e Ahmad selbst gewählt wurde). In diesem Buch bringt Al-e Ahmad seine Bewunderung für die Kibbuzim (Kollektivsiedlungen auf dem Land) und für den Unterricht in hebräischer Sprache in Israel zum Ausdruck, neben der energischen Kritik an der Diskriminierung der arabischen Bürger Israels. Im letzten Kapitel des Buchs, das als Reaktion auf den Sechs-Tage-Krieg (5.-10. Juni 1967) geschrieben wurde, ist die Kritik von Al-e Ahmad schon viel schärfer und direkter. Selbst dann ist Israel, wie er schreibt, einschließlich all seiner Mängel und Gegensätze, in orientalischen Augen die Basis einer Macht, ein erster Schritt, die Botschaft einer nahenden Zukunft.
Das Interesse von Al-e Ahmad an Israel begann lange vor seinem kurzen Besuch im Februar 1963.
Wie viele Intellektuelle im Iran war Al-e Ahmad Mitglied der örtlichen kommunistischen Partei, der Tudeh-Partei. Er war der Partei in seiner Jugend beigetreten, im Alter von 21, und rasch ins Zentralkomitee der Partei gewählt worden. Seine ersten Erzählungen, die die Region seiner Kindheit in den Armenvierteln im Süden Teherans beschrieben, wurden in Zeitschriften der Partei veröffentlicht.
Aber im Jahr 1948, nach der Unterstützung der sowjetischen Seite durch die Tudeh-Partei im Konflikt mit der iranischen Regierung wegen Erdölkonzessionen, empörten sich Al-e Ahmad und andere und verließen die Partei (AdÜ: die Sowjetunion forderte für sich vergleichbare Erdölförderrechte im Iran wie Großbritannien sie hatte). Nach diesem dramatischen Schritt suchte Al-e Ahmad nach sozialistischen politischen Alternativen und fand den Kibbuz. Seine ersten Bekanntschaften mit der israelischen kollektiven Landwirtschaft ließen in ihm bald mehr und mehr den Wunsch nach Informationen über Israel und die Juden aufkommen. Er las die Protokolle der Nürnberger Prozesse, das Buch „Diebe in der Nacht“ von Arthur Koestler, das auf seinen Erfahrungen als Kibbuz-Reporter beruhten, und die Bibel. Er schrieb sogar eine Erzählung im Stil der Bibel mit dem Titel: „Das dritte Buch der Könige“.
Eines der Symbole der iranischen Revolution, und einer, der bis in seine letzten Jahre in Israel ein Model zur Nachahmung sah. Iranische Briefmarke aus dem Jahr 1988 zu Ehren der intellektuellen Leistungen von Al-e Ahmad (Wikipedia)
Es ist wichtig und interessant festzustellen, dass Al-e Ahmad keine Notwendigkeit sah, diese Themen mit iranischen Juden zu diskutieren, einer Gemeinschaft von mehreren Zehntausend in jenen Jahren. Juden und Judentum waren für Al-e Ahmad eine ausländische, externe Angelegenheit, kein Teil des Irans selbst.
Al-e Ahmad schreibt in seinem Buch, dass er auf eine Einladung der Israelischen Botschaft reagierte, das Land zu besuchen, „damit ich Dinge von Nahem begreifen konnte, von denen ich bislang nur in den Büchern gelesen hatte, und schließlich um alles, was so attraktiv war, zu sehen.“
Dies ist sicher richtig, aber viele andere Quellen, darunter die Briefe zwischen ihm und seiner Frau Simin Daneschwar zur Vorbereitung der Reise, seine anderen Bücher, und auch die Telegramme, die zwischen dem israelischen Außenministerium und den Botschaften in Teheran und London gewechselt wurden, zeichnen ein etwas komplexeres Bild. Erstens war Al-e Ahmad nicht der einzige iranische Intellektuelle, der in jenen Jahren zu einem Besuch nach Israel eingeladen wurde.
1961 traf Tsvi Rafi‘ach, damals ein junger israelischer Diplomat in seinem ersten Diensteinsatz, in Teheran ein und begann, Beziehungen zu einheimischen Schriftstellern, Künstlern und Denkern aufzubauen. Rafi‘ach brachte iranische Intellektuelle (Menschen des Geistes) nach Israel und ihre israelischen Kollegen in den Iran, als ein Weg, die kulturellen Beziehungen und dabei auch die engen Sicherheitsbeziehungen zwischen den Staaten zu verbessern, die schon bestanden. Neben Al-e Ahmad statteten in jenen Jahren auch der Cousin von Mohammad Resa Schah, Prinz Schahram Pahlawi, sowie führende Linke wie der Al-e Ahmad nahestehende Politiker Chalil Maleki Israel einen Besuch ab. Mit anderen Worten, Rafi‘ach wollte Menschen von beiden Seiten der politischen Landkarte dorthin bringen, und mit der Zeit schloss er sich den sozialen Kreisen jener Intellektueller an. In Briefen beschreibt Daneschwar den israelischen Diplomaten als jemanden, der auf natürliche Weise an die Parteien und Geschehnisse heranging.
Versuche, neben den Sicherheitsbeziehungen auch die kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen zu entwickeln. Die iranische Delegation an der internationalen Konferenz über die Rolle der Wissenschaft zur Förderung junger Staaten am Weizmann-Institut in Rechovot (Israel), 1960
Quelle: Fritz Cohen
Für Al-e Ahmad war die Reise nach Israel mehr als nur ein Besuch. Er verbrachte vier Monate in Europa vor seiner Ankunft (erg.: in Israel). Wie aus seinen Briefen an Simin Daneschwar hervorgeht, schlug er ihr gegen Ende seiner Europa-Reise vor, den Iran für immer zu verlassen. Nach Abschluss seiner Israel-Reise schrieb ihr Al-e Ahmad, dass sie nach London oder Paris auswandern könnten statt heimzukehren, wo er seine literarische Tätigkeit unter freundlicheren Bedingungen fortsetzen könne. Es ist unmöglich festzustellen, wie ernsthaft dieser Gedanke war, obwohl auch andere Schriftsteller dem Schah-Regime entflohen, das zur gleichen Zeit immer repressiver wurde. Jedenfalls zerstörte die Enthüllung seiner Untreue gegenüber Simin Daneschwar durch einen Brief, der sie wenige Tage vor ihrem Treffen im Lande (= Israel) erreichte, diesen Traum.
Das Buch enthüllt noch viel mehr über Al-e Ahmad und seinen Besuch als Aktenordner und Briefe. Studiert man es heute, fallen die erstaunlichen Beschreibungen Israels von Al-e Ahmad am meisten auf, insbesondere im Licht des Bruchs und der Feindseligkeiten zwischen Israel und Iran in den heutigen Tagen. Al-e Ahmad sieht Israel nicht nur als Teil des Orients, er lobt dessen Regierung auch mit Bezeichnungen, welche für den idealen islamischen Staat reserviert sind. Er verurteilt die benachbarten arabischen Staaten wegen ihrer Abhängigkeit von der westlichen Kultur und ihres doppelgesichtigen Verhaltens in Sachen palästinensischer Flüchtlinge. Er beschreibt den Besuch in Yad Vashem, und die Tränen, in die er bei einer Gedenkfeier für einen holländischen Christen ausbrach, der in der Zeit des Holocaust Juden rettete. Andererseits stellt er anderenorts einen Vergleich zwischen Israel und Nazi-Deutschland auf, und nennt es „einen Brückenkopf des westlichen Kapitalismus im Nahen Osten“. Al-e Ahmad nimmt bezüglich Israel so unterschiedliche, und manchmal so widersprüchliche Positionen ein, dass es nicht möglich ist, ihn auf der Landkarte der Fixpunkte im israelisch-palästinensischen Konflikt zu orten.
Der Grund für die Widersprüche und Gegensätze ist, dass der Staat der Juden nicht das eigentliche Thema des Reiseberichts von Al-e Ahmad ist. Ähnlich wie viele andere Schriftsteller verschiedener Zeiten und Orte, beschreibt der Reisende das, was ihm auffällt, denkt aber dabei an seine Heimat.
So auch im Falle von Al-e Ahmad. Die Beschäftigung mit dem Kibbuz und Israels Rolle im Nahen Osten dient ihm zu einem anderen Zweck: seine Kritik am Iran des Schahs zu verschärfen und zu verstärken. Wenn Al-e Ahmad sagt, dass die Führer Israels Gottes auserwählte Vertreter sind und dass „Ben Gurion nicht geringer als Enoch und dass Mosche Dayan nicht geringer als Ijob (Hiob) ist“, ist schwer zu verstehen, wie diese geistlichen Lobbezeichnungen durch seine weltlichen Erfahrungen in Israel in den 60-er Jahren zustande gekommen sein sollen; abgesehen von dem durch einen Rabbi vorgetragenen Gesang:
„אל מלא רחמים“ (An den, der voller Gnade ist), den sie in Yad Vashem hörten, hat das iranische Ehepaar anscheinend weder eine Synagoge besucht noch an einer religiösen Zeremonie teilgenommen. Seine Wahl, Israel als Staat zu loben, der Bewunderung verdient, dient hauptsächlich dazu, zu markieren, was er bei sich zu Hause, im Iran, vermisst. Er preist Israel genau wegen jener Dinge, die – wie Al-e Ahmad ausdrücklich in „Gharbzadegi“ schrieb – im Iran im Argen liegen: ein gutes Bildungswesen, eine angemessene Landwirtschaft, Gleichheit, ein Festhalten an den kulturellen und religiösen Wurzeln, und ein Gleichgewicht zwischen Ost und West.
Al-e Ahmad kritisierte scharf die engen Beziehungen des iranischen Schahs zu den Vereinigten Staaten und die Verwestlichungstendenzen unter seiner Herrschaft. Der Schah Mohammad Resa Pahlawi mit einem hochrangigen Offizier der US-Luftwaffe, 1977
Photo: Sergeant Major Dunham, US-Luftwaffe
Dr. Samuel Thrope, in Jerusalem lebender Übersetzer und Journalist. Autor von „The Israeli Republic“ – seine Übersetzung von „Reise in das Land des Todesengels“ von Dschalal Al-e Ahmad,
herausgegeben 2017 von Restless Books.
Der Artikel enthält am Schluss noch einen Link auf die facebook-Seite des Workshops für Sozialgeschichte: https://www.facebook.com/sadnale/
Im folgenden ein Link auf einen Vortrag des Trauerlieds אל מלא רחמים (Dem, der voll von Gnade ist) in Yad Vashem: