Dankesrede von Behrouz Boochani

Abschrift der Rede, die Behrouz Boochani bei der Preisverleihung am 31. Januar 2019 per Videoübertragung hielt.

Behrouz Boochani gewinnt renommierten australischen Literaturpreis

Als ich vor sechs Jahren auf der Weihnachtsinsel ankam, rief mich ein Beamter der Einwanderungsbehörde ins Büro und sagte mir, dass sie mich nach Manus Island verbannen würden, einem Ort mitten im Pazifik. Ich sagte ihnen, dass ich Schriftsteller bin. Dieselbe Person lachte mich nur aus und befahl den Wachen, mich nach Manus zu deportieren.

Ich habe dieses Bild jahrelang im Kopf behalten, selbst als ich meinen Roman schrieb – und sogar gerade jetzt, während ich diese Dankesrede schreibe. Es war ein Akt der Erniedrigung.

Als ich in Manus ankam, schuf ich ein anderes Bild für mich. Ich stellte mir einen Schriftsteller in einem abgelegenen Gefängnis vor. Manchmal arbeitete ich halbnackt neben den Gefängniszäunen und stellte mir vor, dass ein Romanautor genau an diesem Ort eingesperrt ist. Dieses Bild war Ehrfurcht gebietend. Ich habe dieses Bild jahrelang in meinen Gedanken bewahrt. Sogar als ich gezwungen war, in langen Schlangen für Essen anzustehen oder andere demütigende Momente zu ertragen.

Dieses Bild hat mir immer geholfen, meine Würde zu wahren und meine Identität als Mensch aufrecht zu erhalten. Tatsächlich habe ich dieses Bild als Gegensatz zu dem vom System erstellten Bild entworfen. Nach Jahren des Kampfes gegen das System, das unsere individuellen Identitäten völlig ignoriert hat, bin ich froh, dass wir in diesem Moment angekommen sind.

Dies beweist, dass Wörter immer noch die Macht haben, unmenschliche Systeme und Strukturen herauszufordern. Ich habe immer gesagt, dass ich an Wörter und Literatur glaube. Ich glaube, dass Literatur das Potenzial hat, Veränderungen zu bewirken und Machtstrukturen in Frage zu stellen. Literatur hat die Macht, uns Freiheit zu geben. Ja, das ist wahr.

Ich bin seit Jahren in einem Käfig gewesen, aber während dieser ganzen Zeit hat mein Geist immer Worte hervorgebracht, und diese Worte haben mich über die Grenzen hinweg geführt, nach Übersee und an unbekannte Orte. Ich glaube wirklich, dass Worte mächtiger sind als die Zäune dieses Ortes, dieses Gefängnisses.

Dies ist nicht nur ein grundlegender Slogan. Ich bin kein Idealist. Ich drücke hier nicht die Ansichten eines Idealisten aus. Diese Worte stammen von einer Person, die seit beinahe sechs Jahren auf dieser Insel gefangen gehalten wird. Eine Person, die die außergewöhnliche Tragödie miterlebt hat, die sich an diesem Ort entwickelt hat. Diese Worte erlauben mir, heute Abend dort bei Ihnen zu erscheinen.

In aller Bescheidenheit möchte ich sagen, dass dieser Preis ein Sieg ist. Es ist ein Sieg nicht nur für uns, sondern auch für die Literatur und Kunst und vor allem für die Menschheit. Ein Sieg für die Menschen, für die Menschenwürde. Ein Sieg gegen ein System, das uns nie als Menschen anerkannt hat. Es ist ein Sieg gegen ein System, das uns auf Zahlen reduziert hat.

Dies ist ein schöner Moment. Freuen wir uns alle heute Abend über die Macht der Literatur.

Quelle: The Guardian, 1.2.2019