Iran: Die Feinde der Erdbebenopfer

Im Westen des Irans, in kurdischen Städten wie Kermanschah, Sarpol-e Sahab und Qasr-e Schirin sowie den umliegenden Dörfern war es vergangene Woche zu einem schweren Erdbeben gekommen.

Wohnung der Nächstenliebe
Ahmadineschad hatte in seinen zwei Amtszeiten als Staatspräsident eine Wohnungsbaugesellschaft unter dem Namen Maskan-e Mehr (Wohnung der Nächstenliebe) ins Leben gerufen. In allen Städten gründeten seine Leute Filialen von Maskan-e Mehr. Die Gelder der Zentralbank, der Nationalbank und anderer Banken, in denen Ahmadineschads Leute saßen, flossen reichlich und die Wohnhäuser schossen wie Pilze aus dem Boden. Sie wurden freilich nicht verschenkt, sondern gegen Kredit verkauft. In der Erdbebenregion sind diese Neubauten samt und sonders in Staub und Asche versunken. Die Schulden aber nicht. Neben den Toten und Verletzten haben die Überlebenden jetzt also auch noch mit den Banken zu kämpfen, die für Wohnungen, die nicht mehr existieren, weiterhin Zinsen und Kreditrückzahlung verlangen…

Auf der Suche nach Sündenböcken
Für die jetzige Regierung war das eine gute Gelegenheit, Ahmadineschad und seine Kumpanen ins Rampenlicht zu rücken. Drei enge Mitarbeiter von Ahmadineschad, Hamid Baqa’i, Habibollah Dschos‘-e Chorassani, Ali-Akbar Dschawanfekr, wurden von der Justiz vorgeladen. Daraufhin hielt Ahmadineschad eine Rede, in der er mit Vorwürfen gegen die Brüder Laridschani – einer von diesen ist der Chef der iranischen Justiz – nicht sparte. Sie seien die größten Diebe, und er habe Beweise in der Hand. Anderen hätten derartige Attacken die Todesstrafe eingebracht, aber Ahmadineschad hat noch immer genügend Gönner im Hintergrund. Die drei von der Justiz Gesuchten hatten keine große Lust, sich der Justiz zu stellen, und suchten in einem Heiligtum im Süden von Teheran, dem Aramgahe Schah Abdolasim in Schahre Rey Zuflucht, ähnlich dem Kirchenasyl, das uns hierzulande vertraut ist. Sie riefen die göttliche Gerechtigkeit gegen solch unbillige Verfolgung an.

Islamisches Gegenstück zum Kirchenasyl
Aber so wie im katholischsten aller Bundesländer, in Bayern, die Heiligkeit des Kirchenraumes am wenigsten geachtet wird, wie ein Polizeieinsatz gegen Flüchtlinge in Augsburg beweist, so sind auch im Iran diejenigen, die am meisten die Religion im Munde führen, dieselben, die deren Traditionen am wenigsten achten. Die Gebrüder Laridschani – der eine Parlamentspräsident, der andere Oberhaupt der Justiz – haben sich nebenbei auch eine Privatarmee von Schlägern aufgebaut, die als sogenannte „spontane Elemente“ immer dann in Erscheinung treten, wenn handfestes Zupacken gefragt ist, aber man den Schein wahren will. Also rotteten sich 50-60 Vertreter dieser Zunft vor dem Heiligtum des Schah Abdolasim in Schahre Rey zusammen, drangen ein und holten die drei Beschuldigten gewaltsam ins Freie. Es wird sich zeigen, wie die Justiz weiter mit ihnen verfährt.

Hilfe für die Erdbebenopfer?

Parallel dazu ist der Staat auch in Sachen Erdbebenhilfe aktiv. Aus dem Erdbeben in Bam, als auch aus dem Ausland tatkräftige Hilfe kam, hat der Staat gelernt. Nämlich, dass es unangenehm ist, ausländische Beobachter und Zeugen zu haben, die ihm auf die Finger schauen, wenn es darum geht, die Hilfe in fremde Taschen zu stecken. Also hieß es gleich, man brauche die Hilfe nicht, das schaffe der iranische Staat auch allein. Gegenüber der eigenen Bevölkerung, die sich schon bei früheren Erdbeben solidarisch zeigte, hilft das Vorgehen freilich nicht.

Die Zufahrtswege sperren
Auch diesmal hatten die Iraner selbst schnell Hilfslieferungen organisiert und fuhren damit nach Kermanschah, Qasr-e Schirin oder Sarpol-e Sahab. Doch der Staat hatte vorgesorgt: An den Autobahnen, die in die Städte führen, waren die Staatsorgane postiert. Sie fingen die Lieferungen ab, nahmen sie mit der Behauptung ab, der Staat werde sie selbst direkt den Bedürftigen zukommen lassen, und unterbanden so wirksam den Kontakt zwischen Helfern und Opfern, zwischen Zeugen der staatlichen Behinderung und Schikane und Zeugen der Korruption. Stattdessen inszenierte der Staat eigene Hilfsaktionen, verteilte die beschlagnahmte Ware auf kleine Lieferwagen und ließ in jedem Lieferwagen einen Geistlichen oder einen Schüler einer der theologischen Lehranstalten Platz nehmen, um das Image dieses Gewerbes aufzupolieren. Das Vorgehen der Behörden sprach sich rum, und so gingen die Leute, dazu über, die Hilfssammlungen selbst zu organisieren. In Tabris kam so eine Karawane von rund 20 Lastwagen mit Hilfsgütern zustande. Den Pasdaran blieb dies nicht verborgen. Sie beschlagnahmten die Hilfsgüter, um sie selbst zu verteilen – angeblich, und verprügelten die Fahrer. So bleibt der Bevölkerung nur noch ein Weg, nämlich die oft gefährlichen Landstraßen zu nutzen, um den Dörfern die Hilfe zukommen zu lassen. Vergessen wir nicht – es handelt sich um eine gebirgige Region, und die Straße sind hier nicht so dicht gesät und so gut gewartet wie in der Schweiz.
Aber auf diesem Weg fließt die Hilfe weiter, am Staat vorbei.

https://www.peykeiran.com/Content.aspx?ID=141702
vom 26. Aban 1396 (17. November 2017)
nazdikane ahmadinezhad xahane dexalat xamene’i dar residegi be ettehamate xod shodand